Ab dem Playa de Jarugo bei Tindaya, wird die Westküste nach Süden hin immer einsamer. Kleine, spektakuläre Buchten, wie die Bahía de las Gaviotas bei Puertito de los Molinos, oder eben die hier beschriebene am Puntilla del Agujero, Piedra Fuera bei Aguas Verdes. In der Gemeinde Pájara tauchen noch drei etwas bekanntere Strände auf: Der Playa de la Solapa Geheimtipp der hardcore Kitesurfer, der Playa Garcey und Playa de Vigocho, da dort einmal das Wrack der American Star zu fotografieren war. Am Risco Blanco ist dann Schluss. Auch das kleine Leuchtfeuer Punta del Peñón Blanco, kann nicht mehr besucht werden, denn ab hier ist militärisches Sperrgebiet bis hinunter zum Playa de Ugán nördlich von La Pared. Mit einem guten Geländewagen und entsprechendem fahrerischen Können, würde sich die gesamte Westküste mal auf guten, mal auf sehr schlechten Pisten, dann wieder querfeldein meistern lassen. Mittlerweile ist das aber verboten. Das macht Sinn. Wer jedoch etwas für das Mountainbike, das Trailrunning oder Wandern übrig hat, findet an der langen Westküste absolute Einsamkeit und immer wieder spektakuläre Küste, steile Klippen, durchsetzt von einsamen Buchten. Jedem, der hier unterwegs ist, sollte aber klar sein, er ist auf sich gestellt. Kein Mobiltelefon Empfang und falls doch mal kurz, bis hier Hilfe kommt, z.B. weil Unbelehrbare baden mussten, ist es zu spät. Kommunikation funktioniert an der einsamen Westküste nur über Satellit, z.B. mit einem Garmin inReach®.
Die Tour startet am Playa del Valle bei Aguas Verdes, an dem Reste eines interessanten Schiffswrack liegen. Bei Ebbe sind noch Teile der Schiffsmaschine zu sehen. Dort kann auch das Auto geparkt werden. Als erstes geht es auf den Tablero del Golfete hinauf und die Küste nach Norden weiter. Bald taucht schon das erste Highlight auf, der Playa de los Mozos. Ein Abstecher lohnt, aber am besten am Rückweg der Tour. Vom Tablero kann, gewusst wo, zum Strand abgestiegen werden (s. Playa de los Mozos). Jetzt geht es aber weiter nach Osten zur Piste, die in den Barranco de los Mozos hinunter führt. In diese hinunter und gleich wieder hinauf auf den Tablero del Cantil. Immer der guten Piste folgen, bis der kleine, nicht tiefe Barranco de la Bonancita auftaucht. Bonancita abgeleitet von bonanza, Windstille, Flaute und das ist die Verkleinerungsform davon. Den Wasserlauf passieren aber es lohnt, dort weglos einen Abstecher zur Küste einzulegen. Das sind nur etwas mehr als 300 Meter. Der barranco wird immer schmaler, sehr eng, felsig und plötzlich wird vor einer engen Kerbe in der Küste gestanden, in die der Atlantik schlägt. Aber Vorsicht, nicht reinfallen, ohne ein Seil oder ähnliches kommt da niemand mehr raus. Eine einzigartige Location allemal.
Zurück zur Piste und auf den Tablero del Barco hinauf. Bald führt die Piste in einen namenlosen barranco kurz aber steil hinunter. Diesem weglos bis zur Küste folgen. ¡listo! – das sensationelle Lavabecken ist erreicht. Glasklar und grün schimmernd prsäentiert sich der Atlantik. Sanfte Dünung schwappt durch einen rund 230 Meter langen Kanal, der sich verbreiternd zum Atlantik hinaus öffnet. Das alles sieht aus, als ob es sich um ein überdimensionales Schwimmbecken handeln würde. Das verlockt schwimmen zu gehen. Generell ist die Westküste besonders in Bereichen der Klippen sehr gefährlich. Tückische und kraftvolle Strömungen bilden sich auch an kleinen Kaps. Dazu gesellt sich der Kanarenstrom und die Tiden. Wer hier ins Wasser steigt, sollte sich das nicht nur gut überlegen, sondern auch über die generellen und aktuellen Verhältnisse informiert sein. So schön ein Kanal auch aussieht, am Atlantik um Fuerteventura herrscht ein Tidenhub von rund 2,5 Meter. Bei abfliessendem Wasser kann besonders in Kanälen ein besonders starker Sog auf das Meer hinaus entstehen. Dass an diesen Küsten auch ggf. nie alleine ins Wasser gestiegen wird, ist selbstverständlich. Bereits ein klitschiger Felsen von gerade mal ein Meter Höhe kann zur tödlichen Falle werden, weil er ohne Hilfe von Land, nicht mehr überwunden werden kann. Auch wenn die Sonne noch so strahlend vom Himmel lacht und das Wasser verführerisch schimmert: Erst den Kopf einschalten und dann vielleicht springen. Manche Sprünge im Leben sind irreversibel!
So sehr das Wasser auch lockt, die spektakuläre Bucht unterhalb des Puntilla del Agujero (el agujero = das Loch) ist auch ohne Badespass wunderbar zu geniessen. Hinsetzen, Einsamkeit und Natur wirken lassen, vielleicht auch ein Picknick, ein gutes Buch oder Musik im Ohr. Eine Option wäre auch gar nichts tun,. Tanquilidad, nur sitzen, schauen, dem plätschern der Wellen zuhören und die Ruhe des Ortes erleben. Kontemplation, in sich blicken, für die meisten geht es bald zurück ins Hamsterrad. Da steht kaum jemandem der Kopf nach Einkehr. Fuerteventura wirken lassen, es ist mehr als Sonne und Strand.
Nach der wunderbaren Bucht und Lavabecken lohnt noch, Richtung Norden auf den Tablero Caleta Grande aufzusteigen. Ein kleiner Pfad führt zu einer zusammengezimmerten Hütte hinauf. Der Tablero ragt wie ein langer Finger, der nach Norden zeigt, in den Atlantik hinein. Östlich von ihm eine grosse Bucht, eine caleta grande eben. Wird bis zur Spitze vorgegangen, ist bei Ebbe der Piedra Fuera (frei übersetzt: der Stein, der draussen liegt) deutlich zu sehen. Der Piedra Fuera eine solide Klippe, die es auf fünf Meter Höhe über Normalnull bringt. Bei stürmischer See brechen sich dort spektakulär die Wellen. Wer die Gelegenheit hat, seine Zeit in den Wintermonaten auf Fuerteventura zu verbringen, wenn immer wieder heftige Stürme aufziehen, der sollte eine Wanderung an der Westküste unternehmen. Atemberaubende Szenen sind dann garantiert, wenn hohe Wellen anlaufen, sich an der Küste brechen und sogar 30 Meter hohe Gischtfontänen erzeugen. Grosser Respektabstand ist selbstverständlich. Jedes Jahr wird wieder jemand von den Wassermassen mitgerissen und verschwindet für immer.
Rückweg, vom Piedra Fuera nicht wieder in die Bucht absteigen, sondern querfeldein nach Osten. So wird automatisch auf die Piste gestossen. Dieser retour wie gekommen folgen. Wer die Wanderung so gewählt hat, dass der Barranco de los Mozos wieder am späten Nachmittag erreicht wird, sollte unbedingt noch einen Abstecher zum Playa de los Mozos unternehmen. Das sind rund 600 Meter. Am späten Nachmittag ist das Ambiente in der imposanten Bucht besonders schön. Um wieder auf den Tablero del Golfete zu gelangen, ist es nicht unbedingt notwendig, die 600 Meter zur Piste zurück zu gehen. Wer trittsicher ist, kann über einen schmalen Pfad direkt aufsteigen. Wie der gefunden wird, siehe Playa de los Mozos.
Hat der Wanderer das Glück, dass der Horizont nicht wolkenverhangen ist, dann lässt sich am Tablero del Golfete noch ein mitreissender Sonnenuntergang erleben. Dem Rat folgen, die Wanderung an einem Nachmittag bei passendem Wetter unternehmen, dann kann die Tour zum Puntilla del Agujero und Piedra Fuera eine unvergessliche werden.
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Das Auto wird am Playa del Valle geparkt. Von dort geht es über Piste hinauf zum Tablero del Golfete und dann hinunter zum Barranco de los Mozos. Dort kann ein Abstecher zum Playa de los Mozos unternommen werden. Aus dem barranco heraus auf den Tablero Cantil und weiter auf Piste Richtung Norden. Durchqueren des kleinen Barranco de la Bonancita. Hier kann ein Abstecher zu den Bajas de la Bonancita gemacht werden. Aus dem barranco weiter auf der selben Piste hinauf auf den Tablero Caleta del Barco und dann steiler hinunter in einen namenlosen barranco. Dem weglos bis zur Küsten folgen. Hier finden sich die Lavabecken. Aus der kleinen Bucht über Pfadspur zu einem windigen alten Fischerhäuschen auf den Tablero Caleta Grande aufsteigen. Ein Stück den Klippen weiter nach Norden, wird der Puntilla del Agujero, ein kleines Kapp, erreicht. Die schmale Landzunge weiter Richtung Küste, wird das felsige Riff Piedra Fuera, nur bei Ebbe gut zu sehen da lediglich 5 m hoch, erreicht.
Anfahrt siehe Playa del Valle Aguas Verdes.
In Aguas Verdes findet sich weder Gastronomie noch irgendeine Art von Geschäft. Im Ort Valle de Santa Inés warten zwei touristische Gastronomiebetriebe. In einem können auch Wasser, Eis etc. und bocadillos gekauft werden. Supermarkt gibt es keinen.
Entfernung: Ca. 10,6 Km hin und retour (inkl. Abstecher zu den Bajas de la Bonancita, Piedra Fuera + Playa de los Mozos).
Höhenmeter: 380 m im An- + Abstieg (inkl. Abstecher zu den Bajas de la Bonancita, Piedra Fuera + Playa de los Mozos).
Art: Streckenwanderung.
Beste Zeit: Das schönste Licht gibt es am späteren Nachmittag.
Anforderung: Einfach.
Wegbeschaffenheit: Piste und weglos durch barrancos.
Wegmarkierung: Keine.
Trailrun: Ja.
Mountainbike: Ja, in den barrancos Schiebepasagen.
Telefonnetz: Nein.
Anfahrt mit dem Bus: Nein.
POIs:
Parken / Start:
N28.48516° | W14.09297°
Playa Valle de Santa Inés:
N28.48556° | W14.09455°
Playa de los Mozos:
N28.49444° | W14.08945°
Bajas de la Bonancita:
N28.49861° | W14.08895°
Puntilla del Agujero:
N28.50170° | W14.08769°
Piedra de Fuera:
N28.505976° | W14.0868885°
Karte: Mapa Topográfico Nacional de España MTN25 1090-III
Retrospektive – Aussicht vom Morro de Veloso.
Der Morro de Veloso o del Convento (677 m) ist der Aussichtsberg im Norden von Fuerteventura. In schmückt ein mirador, der von César Manrique entworfen wurde. Neben einer kleinen Cafeteria, findet sich ein sehr interessantes Museum in dem Gebäude. Leider ist es meistens geschlossen, aktuell wegen Renovierung (Stand Juli 2023). Das ist nun seit einigen Jahren so, ohne dass sich irgendetwas tut.
Wenigstens die Strasse auf den Morro de Veloso, die von der FV-30 abzweigt, wird tagsunter, nicht täglich, geöffnet. Vom Gipfel bietet sich eine spektakuläre Aussicht auf die Küste von Valle de Santa Inés. Hier kann die Tour aus der Vogelperspektive nach oder vor gesehen werden. Ist die Strasse zum Gipfel gesperrt, lässt in 15 Minuten hinauf spazieren.
In Aguas Verdes ist tote Hose. An der Bundesstrasse in Valle de Santa Inés, zwei touristische Restaurants, an denen gerne Touroperator stoppen. Nicht das Wahre. Wer im Norden sein Quartier aufgeschlagen hat, wird am Rückweg von der Piedra Fuera Tour an Tindaya vorbeikommen. In den Ort abbiegen und im "Zentrum" wartet die Bar González. Sie ist urig echt, seit Jahrzehnten. Erst trafen sich hier Ortsbewohner und die Ziegenbauern der Gegend, am frühen Morgen und oder späten Abend, nun gesellen sich Auswanderer dazu, welche sich in der Einsamkeit um Tindaya niedergelassen haben. Wer etwas abseits der touristischen Pfade sucht, ist hier richtig. Luxus darf keiner erwartet werden.