Das Wegenetz auf Fuerteventura.
► Langsam wird Fuerteventura auch als Wanderinsel entdeckt. Vielen galt es bisher als recht uninteressant dafür. Eintönige Landschaft, der höchste Berg der Insel, der Pico de la Zarza mit 807 m und leicht über einen Karrenweg zu besteigen, bot keine Möglichkeit sich alpinistische Sporen zu verdienen und irgendwie hatte man da mehr Teneriffa am Radar, wenn es um Wandern ging. Im Frühling üppige Blütenpracht, die mystischen Nebelwälder wie der Mercedes Wald und anderes schienen lohnendere Ziele zu sein.
Doch immer mehr Wanderer entdecken Fuerteventura, denn es hat einen ganz besonderen Reiz: Die unberührte Weite, die sanften Formen der Landschaft, das unglaublich dramatische Licht in den Morgen- und Abendstunden, welches die Insel in ein atemberaubendes Licht taucht, das schliesslich fast jeden Tag in einem spektakulären Sonnenuntergang sein grosses Finale findet. All das hat etwas. Gerade in einer Zeit der Reizüberflutung, des Dauerterrors durch soziale Medien, Werbung, der permanent erwünschten Verfügbarkeit, gewinnt Weite, Einsamkeit, Ruhe, Minimalismus eine ganz besondere Bedeutung, wird zum Luxus. Dann stellt sich Fuerteventura als „…Oase in der Wüste der Zivilisation …“ dar, wie es der grosse Miguel de Unamuno beschrieb.
Um das alles richtig geniessen zu können, sollte Fuerteventura alleine oder mit einem guten Begleiter erwandert werden. Es ist nichts für Wandergruppen mit Dauerbeschallung durch permanenten Redezwang. Fuerteventura zu erwandern hat etwas von innerer Einkehr, sich wieder selbst zu entdecken. Wer lange Wege geht in dieser weiten grandiosen Landschaft, sollte seine Energie dem Weg und dem Geist widmen, dann wird es zu einem meditativen Erlebnis. Die Weite der Landschaft oder die Barrancos, die den Weg vorgeben, machen die Orientierung einfach. Ein paar Dinge sollte der Reisende zu Fuss aber wissen.
Orientierung auf den Wanderwegen.
► Die kanarischen Inseln werden mittlerweile von einem dichten Wandernetz überzogen, das immer besser markiert und auch in Stand gesetzt ist. Der spanischen Tradition entsprechend, ist es auch dediziert als Reitpfad gewidmet. Ein Ausritt am Wochenende ist immer noch so normal wie eine Ausfahrt mit dem Fahrrad in Mitteleuropa. Die besonders schönen Wege laufen meist, auch wenn wenig bekannt, auf historischen Pfaden. Auf Teneriffa z.B. über einen alten Zubringer zum Jakobsweg oder auf Fuerteventura auf dem ersten befestigten Nord-Süd Weg, dem „Camino de los Presos“, dem Weg der Strafgefangenen. Politische Gefangene, die später im Lager Tefía „konzentriert“ wurden, mussten ihn zwischen 1946 und 1948 bauen. Da er an sandigen Stellen mit Kalkplatten belegt wurde, nennen ihn die alten Inselbewohner auch „Camino del Cal“. Das mit dem alten General Franco KZ in Tefía wird gerne verdrängt. Ein unangenehmes Thema.
Heute läuft auf dem alten „Camino de los Presos“ ein guter Teil des Wanderweges „GR-131“ im Süden von Fuerteventura. GR-131, eine Grande Ruta, Weitwanderwege auf den Kanaren, die über mehrere Tage Inselteile verbinden. Der GR-131 verbindet den Norden von Fuerteventura, Corralejo, mit dem Süden, dem Punta de Jandía. Neben den „GR“ gibt es die „Senderos“, Wanderwege, die maximal einen Tag in Anspruch nehmen.
Am Beginn der „Grande Rutas“ oder der „Senderos“ befinden sich immer grosse Übersichtstafeln, die eine Karte des Weges zeigen, ein genaues Höhenprofil sowie die Etappen und die ungefähre Zeit angeben. Die sollte man sich gut einprägen oder mit dem Smartphone abfotografieren, um einen groben Plan im Kopf zu haben, in welche Himmelsrichtungen es geht. Entweder auf derselben oder einer weiteren Tafel findet sich viele Interessantes und Wissenswertes. Der Wandere sollte sich unbedingt Zeit nehmen, das Ganze (englisch, deutsch, spanisch) zu lesen, denn es gibt wertvolle Information über Flora, Fauna und Geologie, welche die Tour zu einer naturwissenschaftlichen Erlebnisreise werden lässt. Auch auf den Artenreichtum in Bezug auf Zugvögel wird grossen Wert gelegt und zumindest der Birdwatcher wird diese Bereiche begeistert lesen.
Am Beginn der Wanderrouten finden sich immer knallrote Wegweiser, welche die Richtung weisen und Kilometerangaben enthalten. Die Wegweiser sollten aber kritisch genutzt werden. Der teils stürmische Wind hat schon viele verdreht. Regelmässig werden sie auch in den Winterstürmen gekappt – keine Vandalenakte sondern Mutter Natur höchstpersönlich. Mit den Kilometerangaben sollte der Wanderer vorsichtig umgehen. Öfter sind sie schlichtweg falsch. So genau ist man eben in Spanien nicht. Auch an Schlüsselstellen sollten sich diese gut sichtbaren Wegweiser finden. Da aber die Wanderwege nicht wie in den Alpen regelmässig gewartet werden, fallen auch sie mit der Zeit den anspruchsvollen Windbedingungen zum Opfer. Generell ist der Wanderer, wie überall auf der Welt, am besten mit Eigennavigation bedient: Gute Karte, Kompass und Höhenmesser oder ein GPS, dass auch bedient werden kann.
Gut begangene Wege sind auch durchgängig mit Markierungen versehen. Diese werden nicht wie in den Alpen klassisch rot-weiss markiert (Weiss lässt sich nachts am besten ausmachen, Rot bei Nebel). Auf Fuerteventura bestehen die Markierungen aus einer Farbe, die einem Weg zugeordnet ist und Weiss. Sie werden wie in den Alpen auf Steine gepinselt, so keine vorhanden, auf Holzpflöcke im Boden, die in Mitteleuropa eher unterirdische Kabelstränge markieren. Auf den Kanaren sind das Wandermarkierungen. Ein weisser und ein farbiger paralleler Balken bedeuten auf Fuerteventura, hier ist der Wanderer richtig am Weg. Bei Wegkreuzungen, die nicht eindeutig den weiteren Weg weisen, findet sich neben den beiden parallelen weiss-farbigen Balken auch ein farbig-weisses Kreuz. Das bedeutet halt, falscher Weg. Verwenden mehrere Senderos dasselbe Wegstück, können auch mehrere horizontale Balken markiert sein. Die Kreuze für "halt, falscher Weg", werden dann kunstvoll aus mehreren Farben gepinselt. Ziemlich aufwändig, da braucht es schon Liebe zum Detail.
Auch Wanderwege, die nicht im offiziellen Netz von Fuerteventura enthalten sind, oft weglos laufen und alte "Schnellverbindungen" zwischen zwei Tälern und Orten sind, sind meist gut markiert. Über die Jahrzehnte sind wie in den Alpen teils sehr mächtige "Steinmander" entstanden, die den Weg weisen. So z.B. am herrlichen Höhenweg des Bergkammes zwischen Antigua und Betancuria oder die Verbindung von den Fuentes de El Chupadero hinüber zum Mirador de Vallebrón.
Am besten ist auf Fuerteventura eindeutig der Wanderer unterwegs, der sich die hervorragenden 1:25.000 Karten des Instituto Geográfico Nacional de España für wenige Euro bestellt. Jeder Hirtenpfad ist verzeichnet, jede Quelle und verfallenes Gehöft. Für jene, die gerne auf eigene Faust fernab der Markierungen losziehen, das beste Material, dass zu haben ist! So kann die Sonneninsel abenteuerlich entdeckt werden.
Zustand der Wege.
► Der Zustand der Wege variiert sehr stark. In der Ebene sind sie meist gut. Am Anfang der Strecken sogar teils übertrieben mit handverlegten Vulkansteinen umrahmt, die schon Parkcharakter vermitteln. Oft „Schaustücke“, die bald in einer normalen Pfadspur enden. EU finanzierte Wege, die auf den ersten hunderten Metern PR wirksam hergerichtet wurden, um eine entsprechend öffentlichkeitswirksame Eröffnung durch den Inselpräsidenten oder ander Politiker in Szene zu setzen. Auch ein schöner Nachweis für die entsprechende Mittelverwendung.
In höheren Lagen und an steilen Küstenabschnitten folgen die Wege fast ausschliesslich alten Hirtenwegen und Wegen der alten Inselbewohner. Sie sind so, wie sie über die Jahrhunderte entstanden. „Wegemacher“ wie im Alpenverein gibt es auf den Kanaren nicht. Daher sind es einfache Pfadspuren, die mal besser mal schlechter sind. Manch einen mögen diese „ungepflegten“ Pfade stören, andere finden sie gerade besonders schön. Es wird nicht in einem künstlichen Ambiente gewandert sondern auf alten, gewachsenen Fusswegen, die Orte auf kürzestem oder dem am besten machbaren Weg verbinden. Auch das gibt eben dem Wandern auf Fuerteventura etwas ursprüngliches.
An exponierten kleinen Pässen, den "degolladas" (für Ausschnitt), kann es durch die Düsenwirkung oft mit Sturmstärke pfeiffen. Dort wurden vom Cabildo z.B. entlang der Grande Ruta GR-131 Unterstände errichtet, in denen ausgeruht werden kann und die Schutz vor dem stürmischen Wind bieten. So z.B. am sehr stürmischen "Degollado de la Villa", der Pass zwischen Antigua und Betancuria, der bei der Nachtwallfahrt zur Ehren der Virgen de la Peña begangen wird.