El Cotillo por la Noche – zur blauen Stunde ins Casco.

► Restaurants, Bars und Boutiquen – ein kleines Fischerdorf im Wandel und doch ist es gerade noch gemütlich. ►►

Bajo Augustino – der neue Touristen Hotspot von El Cotillo.

► Die meisten El Cotillo Urlauber wohnen nördlich des casco Richtung Faro de Tostón am Bajo Augustino. Bis 2019 war diese Gegend, bis auf das Appartement Haus Marfolín und das grosse Hotel, brachliegendes Schwemmland. Mit dem Tourismusboom wurde die Ecke mit Apartment Komplexen zugebaut, denn für Hotels gibt es auf den Kanaren nur noch dann eine Baugenehmigung, wenn sie 5 Sterne bieten. Dafür gibt es aber in El Cotillo kein Publikum. So werden immer wieder Apartment Anlagen als Schlupfloch genutzt, die rein zur touristischen Vermietung errichtet werden. Die Gemeinde Pájara begann 2024 mit einem neuen Raumordnungsplan dagegen vorzugehen, denn Einheimische haben kaum noch eine Chance, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Darunter leidet auch selbstverschuldet der Tourismus, der für qualifizierte Arbeitskräfte kaum noch interessant ist.

Zuerst Sunset – an den Bajo Augustino.

► Der Bajo Augustino, dem im Namen noch nicht einmal ein playa gegönnt wurde, ist bei Sonnenanbetern wenig beliebt, denn es ist schwer dort ins Wasser zu gehen und auch der Sand lässt zu wünschen übrig. Bajo kann vieles bedeuten, in dem Zusammenhang weisst es u.a. auch darauf hin, dass dort am Strand Untiefen liegen, unangenehm scharfe Lavaklippen. Vor rund 50 tsd. Jahren, also geologisch sehr jung, ergoss sich Lava des Vulkans Montaña de la Arena (422 m) nahe La Oliva über Lajares bis nach El Cotillo. Dabei formte es das Malpais de la Arena, ein kilometerlanges Feld aus Blocklava. Diese weisst darauf hin, dass die Ausbrüche nicht eruptiv waren, wie die meisten auf Fuerteventura. Am Playa de la Concha und am Bajo Augustino floss die Lava ins Meer und erstarrte, bildete Riffe. Besonders schön ist das am Playa de la Concha zu sehen: Ein Lavastrang, der vorgelagert ein Riff bildete und die schöne Lagune formte. Am südlichen Lavastrang wurde in Zeiten des Kalkbrandes eine Mole angelegt, um den wichtigen Rohstoff zu verschiffen. Das Meiste ging nach Grossbritannien.


Der Bajo Augustino ist nicht sehr ansehnlich, denn er ist Schwemmland durchsetzt von Klippen und Sand. Regnet es stark, fliesst das Regenwasser aus dem höher gelegen Malpais de la Arena Richtung der Küste von El Cotillo und kanalisiert sich final am niedrigsten Punkt, dem Bajo Augustino. Das wenig ansehnliche Regenwasser, das Schlamm und mehr mitführt, ergiesst sich dort ins Meer und setzt auch gerne die Keller der Häuser dort unter Wasser. Getrocknet wird aus diesem Regenfluss ein harter Untergrund, auf dem niemand gerne  in der Sonne liegen möchte. Aber für eines taugt der Bajo Augustino ganz besonders: Einen wunderbaren Sonnenuntergang zu geniessen, bevor es zum Essen ins casco geht. Am besten lässt er sich auf den hohen Klippen erleben, die sich unweit der zerfledderten Palmen aufbauen. Einst waren es prächtige Palmen, sie wucherten, denn neben ihnen lag die depuradora, die Kläranalge, von el Cotillo und die war sehr undicht. Das austretende stickstoffreiche Wasser war ein perfekter Dünger. Mit EU Mitteln wurde sie nach El Roque verlegt. Ein kleines Pumpwerk, das Aufmerksamen auffällt, fördert die Abwässer hinauf nach El Roque. In der Hochsaison läuft die neue depuradora dort, da für die Touristenmassen zu klein dimensioniert, auch gerne mal über und erfüllt die Luft um El Roque mit scharfen Gerüchen. Die Palmen am Bajo Augustino hingegen sterben langsam, denn ihnen fehlt das stickstoffreiche Wasser. Die Gemeinde La Oliva, die dafür zuständig wäre, interessiert das nicht weiter. Schade.

Die Sonne ist weg – die astronomische Dämmerung beginnt.

► Die Stimmung zu Sonnenuntergang an den Klippen des Bajo Augustino ist sehr entspannt, obwohl es zur Hauptsaison mittlerweile dort sehr belebt wird. In früheren Jahren trafen sich an den Klippen hauptsächlich residente mit ihren Hunden, um ihren besten Freund etwas laufen zu lassen und den neusten Klatsch auszutauschen. Das ist immer noch so. Wenn dann aber der Feuerball beginnt rotglühend im Meer zu versinken und die Passatwolken in den schönsten Farben aufleuchten, wird es immer sehr ruhig. Wie oft man auch einen dieser wunderbaren Sonnenuntergänge am Atlantik schon gesehen haben mag, es ist immer wieder ein bewegendes Erlebnis. Die magische Anziehungskraft, die unsere Sonne auf uns hat, ist tief in den menschlichen Genen verankert. Mutter Sonne, der Kern aller Naturreligionen, die lebensspendende Kraft, die uns auch vor der ewigen Dunkelheit schützt, die Urmenschen so fürchteten. Daher war besonders die Wintersonnwende, gefolgt von jener im Sommer und den Tages- und Nacht-Gleichen die dominanten Kalenderereignisse in Urzeiten, die später neu interpretiert vom Christentum übernommen wurden, wie die Noche de San Juan beispielsweise.


Ist die Sonne verschwunden, wird es sofort kühl im Passatwind und Sonnenuntergangs-Amateure verlassen fluchtartig die Klippen. Ein Fehler, Profis bleiben, denn wenn es hinter dem Horizont klar ist, beginnt nun das Spektakel des Nachglühens, das den ganzen Himmel in ein stetig wechselndes Spiel der Farben taucht. Und das kann atemberaubend werden. Die Sonne verschwand zwar hinter dem sichtbaren Horizont, aber ihre Strahlen liegen als Tangenten an unserem Planeten und können immer noch ihr warmes Licht in den Himmel zaubern. Erst beginnt die bürgerliche Dämmerung, jene Zeit, in der gerade noch etwas gelesen werden kann. Sie geht in die nautische Dämmerung über die endet, wenn See und sichtbarer Horizont zu Einem verschmelzen. Die Sonne steht dann 12° unter dem wahren Horizont. Nun ist es mit dem Nachglühen und den Farbenspielen vorbei. Die astronomische Dämmerung beginnt, die blaue Stunde. Die Tangenten der Strahlen liegen nun so an, dass sie nur noch ins All strahlen und das lässt den Himmel tiefblau werden. Sank die Sonne 18° unter den wahren Horizont, dann beginnt die astronomische Nacht. Ist der Mond noch nicht aufgegangen, wird es pechschwarz. Nur noch Sterne schmücken den Himmel, ideal für Stargazer.


Bis die astronomische Dämmerung beginnt, sollte am Bajo Augustino ausgeharrt werden. Auch eine Zeit, um besonders eindrucksvolle und wenig gesehene Bilder mit hochwertigen Kameras zu schiessen. Wenn aber der Himmel beginnt blau zu schimmern, sollte ins casco von El Cotillo, kaum 300 Meter, aufgebrochen werden. Dann wird es dort richtig gemütlich und es ist Zeit für ein kanarisches Abendessen.

Als die Gehsteige um 21 Uhr hochgeklappt wurden.

► Von Touristen ist oft zu hören, sie würden das verschlafene abendliche El Cotillo lieben, es sei so gemütlich. El Cotillo Veteranen, die Anfang der 2000der oder vorher als Surffreaks, Sinnsuchende oder Aussteiger in El Cotillo hängen blieben, empfinden das Treiben vor allem an der Muellito de los Pescadores, die Touristen hartnäckig aber fälschlich als alten Hafen bezeichnen, als überlaufen und gar nicht mehr tranquilo. Alles eine Frage des Standpunktes und der Erfahrung. Noch Anfang der 2010er war El Cotillo ein recht ausgestorbenes Dorf. Touristen kamen mittags mit dem Bus, machten einen Rundgang und landeten dann mit dem Guide im El Mirador, dem Vaca Azul oder dem La Marisma zum Essen. Das ging den ganzen Nachmittag so. Dann waren sie weg, denn das Buffet im Hotel in Corralejo, Morro Jable oder Costa Calma wartete abends. Individualtouristen mit Mietwägen, die den Tag an der wunderbaren Lagune La Concha verbracht hatten, gingen am frühen Abend noch in El Cotillo essen. Küche bis 20:30, dann war Schluss und die Lokale schlossen um 21:00 Uhr. Für Einheimische waren sie viel zu teuer. Die gingen gelegentlich in die Pizzeria El Takun oder das Marea Alta zum Tapas essen. Das war es dann aber so ziemlich im Ort.


Wenn die Sonne untergegangen war, wurde es zu diesen Zeiten sehr ruhig, fast ausgestorben in El Cotillo. Die Gehsteige wurden um 21 Uhr hochgeklappt, Autos nicht abgesperrt und es wurde richtig gemütlich für jene, die sozialen Anschluss im kleinen Dorf gefunden hatten. Für alle Anderen wurde es einsam, gewollt oder nicht. Die residente waren unter sich und hatte drei Optionen, wenn sie noch ausgehen wollten. Die Bar Piedra Playa, beliebt bei den echten Majoreros, vorwiegend pescadores, TV mit Dauerfussball Berieselung, gelegen neben der Bola Canaria Bahn, das spezielle kanarische Boccia. Die Strasse runter Richtung Bajo Augustino der El Cotillo Burger. Eine echte Majorera, völlig und freundlich, die sündige selbstgemachte Burger auf der heissen Platte, der plancha, brutzelte und das spot billig. Göttlich der Cotillo Burger, mit allem was man sich nur vorstellen kann und oben drauf noch ein Spiegelei – Kalorien für zwei Tage. Der Canario ist immer und für sein Leben gerne. Auch dort Fussball im TV. Dazu gesellte sich noch der Schweizer, wie ihn alle nannten, das Ferret’s Dinner von Thommy, mit kleiner guter Speisekarte und Cocktails zu Dumpingpreisen bei Kerzenlicht. Damit war man in El Cotillo durch und mehr brauchte es auch nicht. Halt, da gab es noch das Sea Horse für britische hardcore Trinker mit Alkoholiker Status, die sich zu ungezählten Bieren fette Tiefkühlkost gönnten. Das Körpergewicht der Anwesend war, bis die Leberzirrhose einsetzte, monumental. Dann ging es radikal abwärts im Einklang mit den Finanzen. Sie hatten eine harte, meist kurze Zeit in El Cotillo. Die Tage können eben lang werden, wenn nichts zu tun ist und die Interessen fehlen.

Wenn es dunkel wird – beschaulich und gemütlich im Casco von El Cotillo.

► El Cotillo wandelte sich in den letzten zehn Jahren von einem kleinen Fischerort, in dem es alles gab, was man denn tatsächlich täglich brauchte aber auch kein bisschen mehr, zu einem Touristenort, der den Urlaubern ein Überangebot vor allem in Sachen Gastronomie bietet. Was Touristen als ruhig und gemütlich empfinden, scheint den Urgesteinen schon überlaufen und nervig. Für Menschen die aber nicht auf einer ruhigen Insel im Atlantik zu Hause sind, auf der die Tage dahin gleiten, oft ohne Ziel und Ambitionen, ist El Cotillo tatsächlich ein ruhiger kleiner gemütlicher Fischerort am Atlantik geblieben. Die Sicht jener auf das Leben, die vor zehn, zwanzig oder dreissig Jahre kamen, war immer schon eine sehr extreme und reduzierte, berechtigt, aber nicht sehr repräsentativ. Und Zeiten ändern sich, ob man das mag oder nicht. Nostalgie ist ein schönes Gefühl, einer positiv verklärten Vergangenheit.


Das Angebot an Restaurants ist mittlerweile kaum noch zu überschauen. Sie kommen und gehen. Der Wettbewerb ist hart, denn der Fuerteventura Urlauber kommt nicht mit dicker Geldtasche für Extras. Die üblichen Pizzerias, traditionelle spanische Kost im kleinen Los Cazaderos, Tapas Bars, Restaurants die sich mehr stylischer moderner Küche widmen, Grillrestaurants, alles gibt es und für danach unzählige Bars, auch schicke, wie das NaNa. Jeder findet etwas und es gibt gemütliche Ecken, ruhig und fast lauschig, in denen einfache Gerichte bei gemütlichem Licht im Freien serviert werden. Auch wenn die Muellito de los Pescadores die erste Reihe ist, das Touristische, ist dort zwar das Essen nicht das beste, wie überall auf der Welt, aber es sitzt sich gut am Meer mit leichter Brandung im warmen Licht. El Cotillo ist immer noch gemütlich, anders gemütlich. Man wird sehen, wohin die Reise gehen wird. Mehr verträgt der Ort keinesfalls.

Shopping – nach ein paar Gläsern sitzt das Geld locker.

► Ob reich oder arm, wer im Urlaub eine Boutique aufsucht, um etwas zu kaufen, tut das nicht, weil er dringend etwas benötigt, sondern um seinem Urlaub ein weiteres Highlight zu geben. Das limbische System schreit unter der subtropischen Sonne nach Befriedigung und die wird gestillt. Es ist wie ein kleines Kind, das im Supermarkt solange schreit, bis die Eltern entnervt aufgeben und das Eis kaufen, obwohl sie dieses Mal standhaft bleiben wollten. Lange hält die Befriedigung aber nicht an, denn es ist eine sehr oberflächliche. Eine bessere Idee wäre beispielsweise sich mit einem Surfboard in die Wellen zu stürzen, oder einen Kite zu starten, um in die Brandung hinaus zu gleiten. Ein Mix aus Adrenalin und Endorphinen beginnt den Körper zu fluten, euphorisierend, das Leben wird intensiver. Glücksgefühle vereinnahmen das Gehirn, die Neuronen feuern und wie mittlerweile erforscht, beginnen sie sich intensiver zu vernetzen. Was könnte schöner sein und das alles kann Tage anhalten. Der gefürchteten Demenz wirkt das auch noch entgegen. Wer nicht verblöden will, sollte sich früh um sein Gehirn kümmern.


Als die Ersten um die Jahre 2012, 2014 wagten, eine Boutique in El Cotillo zu öffnen, war das Erstaunen der Einheimischen gross: Braucht ein Ort, in dem es weder Arzt noch Apotheke, Tankstelle oder Polizeistation gibt und nur eine Post, die einmal die Woche mittwochs zwischen 12:30 und 14:30 öffnet, wirklich nicht nur eine sondern gleich mehrere Boutiquen? Die Antwort war ganz klar: Nein. Weder haben All-in Pauschaltouristen noch Individualtouristen, die sich eine preiswerte Privatunterkunft suchen und jeden Tag selber kochen, eine Urlaubsbörse, die einen Einkauf in einer schicken Boutique hergeben würde. El Cotillo ist eben nicht Mykonos. Die Einen gaben auf, als ihr gesamtes Erspartes durch war, die Anderen wollten die Insel nicht verlassen und mutierten zu touristischen Gemischtwarenläden: China Plastik für den Strand, Eis, Postkarten, Vermittler für Touren, Handtücher, Sonnenhüte und was man sonst noch irgendwie für ein paar Euro an den Touristen bringen konnte. Bitter, wenn man von einer schicken Boutique träumt und in einem Ramschladen aufwacht. Nicht jeder ist zum Unternehmer geboren.


2019 kamen die nächsten Versuche und die waren erfolgreicher, denn vieles hatte sich in El Cotillo geändert, vor allem das touristische Publikum. Und so gibt es in der Tat mittlerweile einige schicke Boutiquen in El Cotillo. Die einen richten sich an junges Publikum und verkaufen hochpreisigen Surfstyle, andere wenden sich an gesetzteres Publikum. Überraschend, das tatsächlich das hässliche Entlein El Cotillo, dem selbsternannten Künstlerort Lajares in diesem Bereich den Rang ablaufen konnte. Doch das Betreiben einer Boutique in El Cotillo gleicht einer anspruchsvollen Wanderung auf einem schmalen, glitschigen Klippenpfad an schwindelerregendem Abgrund bei Sturm. Eine heftige Böe und aus ist es. Britische und Deutsche Touristen stellen 90% der Touristen Fuerteventuras. Die wirtschaftliche Lage in beiden Ländern ist fatal. Irgendwann werden die Auswirkungen auch jene zu spüren bekommen, die aktuell noch kaufwillig am Abend die Boutiquen besuchen. Fuerteventura war immer extremen konjunkturellen Schwankungen seit seiner Eroberung ausgesetzt. Boomjahren folgten Hungerjahre. Kein Fluch, einfach das Unvermögen, sich ideenreich mangels Fleiss und Können breiter aufzustellen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Nun ist der Tourismus die Cashcow, die gnadenlos gemolken wird. Trocknet sie aus, dann könnte es wieder einsamer werden, auf der Isla tranquila, wahrscheinlich aber auch sehr ungemütlich. Das alte El Cotillo der eigenwilligen Freigeister ist jedenfalls Geschichte.

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