Sunset Walk – bei Sonnenuntergang durch El Cotillo.

► Die Leichtigkeit spüren, ins Licht eintauchen – ein Spaziergang bei Sonnenuntergang durch El Cotillo. ►►

Sunset Prolog – El Cotillo, einst Outpost der Lebenskünstler auf Fuerteventura.

► Fuerteventura lebt auch von seinem phantastischen Licht. Daher zieht es Hollywood und Regisseure wie Guy Ritchi immer wieder auf die Sonneninsel. Wenn die tief stehende subtropische Sonne am späten Nachmittag beginnt, die Insel mit ihrem warmen Licht zu fluten und sie in eine surreale Welt verwandelt, in der alles leicht und möglich erscheint, dann ist es Zeit hinaus zu gehen, einen Spaziergang zu unternehmen, eine Wanderung, einen Trailrun, egal was, nur raus. Die Insel wartet, um zu zeigen, dass sie nicht nur karg und windig, sondern auch sehr schön ist. Mit ihren fulminanten Sonnenuntergängen, fast täglich und nicht nur im Westen, zieht sie auch die letzten Zweifler in ihren Bann und beweist, im Purismus liegt die wahre Schönheit, nicht im opulenten Barock.
 

Es ist noch gar nicht solange her, da war El Cotillo ein Ort einfacher Fischer und von Menschen, die ein bescheidenes, freies Leben suchten, das nicht in ein Korsett gezwängt war. Leicht war das Leben in El Cotillo aber auch nie, vor allem sehr genügsam, aber dafür gab es einen Lifestyle fern der Konsumgesellschaft, der weder Geltungsdrang noch Neid kannte, denn wohlhabend war im Ort niemand. Man wurde in Ruhe gelassen. Garniert wurde das alles mit viel Sonne, wunderbaren Stränden, Meer, Wellen und Wind und vor allem mit tranquilidad. Das Gras wuchs auch wie Unkraut unter der subtropischen Sonne. Das zog Surfer, Lebenskünstler, Aussteiger und ähnliches Publikum an.
 

2015 war es damit vorbei. War El Cotillo bis dahin ein Geheimtipp für Surfer und Touristen, die den Massen entkommen wollten, begann zu jener Zeit die Okkupation des Ortes durch den breiten Tourismus. Aber in der Off-season, wenn die Sonne beginnt zu sinken und es wieder ruhig im Ort geworden ist, der Passatwind durch die engen Gassen weht und die sehr einfachen Häuser im warmen Abendlicht wie schöne Villen am Meer erscheinen, dann ist noch einwenig vom alten Flair von El Cotillo zu spüren: Die Erkenntnis, dass das Leben hier und jetzt stattfindet, verdammt kurz ist und das Glück im Augenblick zu finden ist. Nach diesem, ist es Sentimentalität, davor nur Hoffnung. Machen wir uns auf, zu einem Abendspaziergang durch El Cotillo, um noch einwenig vom alten Geist des Ortes zu spüren. Noch schwingt davon einwenig nach. Über fünf markante Locations von El Cotillo, verläuft die Route. An jedem könnte der Tag ausklingen, aber durchhalten, denn am Ziel wird es am spektakulärsten und schönsten sein.

El Cotillo – einst ein Ort für Menschen, die das einfache Leben suchten.

Recinto – Treffpunkt Festplatz.

► Treffpunkt am Festplatz vor der Ermita de Virgen del Buen Viaje. Ob Winter oder Sommer, abends liegt das einfache Gotteshaus immer im schönen Licht vor dem malpais. Der recinto, ein guter Ort, um einen abendlichen Spaziergang durch El Cotillo zu beginnen. Skater haben hier nun ihre Spielwiese, zur Fiesta Virgen del Buen Viaje wird dort bis vier Uhr früh gefeiert. Es geht Richtung Bajo de Augustino. Links die neue Pasteleria Giorgina sonnig im Abendlicht, direkt vor ihr der kleine botanische Garten des Ortes. Er wird liebevoll gepflegt, obwohl es nur ein paar Quadratmeter sind. An ihm lag einmal die zentrale Bushaltestelle, bis die neue im El Cotillo alto gebaut wurde. Die ist nun monumental. Es fahren aber immer noch, wie vor zwanzig Jahren, die selben zwei Buslinien, eine nur viermal täglich. Für den Bau gabs eine fette EU Förderung, alles weitere verstehen Inselkenner.
 

Richtung El Goloso, das schon windig im Schatten liegt, aber der Bajo Ausgustino dahinter zeigt sich einladend. Dort treffen sich gerne einheimische Hundebesitzer zu Sonnenuntergang. Es wird aber vor dem Goloso, vorbei an der Post, zum Parque infantil abgebogen. Ein Guter Ort, für einen Sundowner, denn es ist windstill dort und die Sonne bricht, wenn sie tief steht, durch die C. San Andres und C. Mariquita Hierro. Im warmen Abendlicht lässt sich herrlich vor der Cafetería Pitaya sitzen. Am parque war einmal das Zentrum von El Cotillo. Die erste Bushaltestelle lag dort, das wilde Marea Viva, mehr Kommune auf Zeit als Hostel, geführt von einem Berliner, heute das Cotillo House, gegenüber Ferrets Dinner aka „der Schweizer“, das heutige Pitaya, dessen Öffnungszeiten „until late“ waren – je nachdem, wie wild es wurde, auch sehr lang, das war damals möglich. Vieles spielte sich um diesen Platz ab, der keinen Namen trägt und nun zu einem Kinderspielplatz wurde. Wer nicht schon in der Cafetería Pitaya bei einem Sundowner versumpft, geht weiter durch die engen Gassen zum La Puntilla, dem Lavaspitz, an dem eine prominente und gefährliche Welle für Bodyborder bricht. Die Gemeinde installierte einige Holzbänke und ein Deck, von dem aus der Sunset wunderbar zu geniessen ist, wie auch die oft wilde Brandung. Hinter den Bänken das La Marisma, mit einer bemerkenswerten Historie, das mit einer windgeschützten Sunset Terrasse lockt. Auch am La Puntilla kann ganz wunderbar der Tag ausklingen: Sonnenuntergang erste Reihe fussfrei.

Muellito de los Pescaderos – Bars und Tranquilidad.

► Gleich um die Ecke des La Marisma, liegt die Muellito de los Pescadores, die kleine Mole der Fischer. Touristen bezeichnet die kleine Bucht gerne fälschlich als den „alten Hafen“, doch das war er nie, denn er ist schon mit kleinen Fischerbooten kaum anzusteuern. Der erste und einzige Hafen von El Cotillo war jener am Torre de El Tostón, dort wo heute die Fischerboote liegen. Den nutzten bereits die normannischen Eroberer, die ihre Befestigung im heutigen El Roque anlegten und damit den Ort gründeten. Er hiess bei den Normannen Richeroque und El Cotillo, ihr Hafen, Port Richeroque. Umgeben von hohen Klippen und einer Häuserfront, ist es auch an windigen Passat Tagen überraschend angenehm, fast windstill, an der muellito, die tagsunter von Sonne geflutet wird.
 

Einst wurden die Häuser um die Mole von Majoreros, meist Fischern, über Generationen bewohnt. Gelegentlich wurde eines frei, weil die junge Generation nicht mehr in diesen sehr einfachen, ärmlichen und feuchten casitas leben wollte. Aussteiger zogen ein, die noch in der Lage waren, um die hundert Euro Miete pro Monat zu bezahlen und sich mit Schimmel und cucas, Kakerlaken, arrangieren konnten. Der Tourismusboom verdrängte sie. Es wurden Bars daraus. Die ersten Abrissgenehmigungen wurden erteilt, nachdem bereits die grosse Eisfabrik und Fischverarbeitung 2015 abgerissen wurde. So entstanden die Treppe samt kleiner Terrassen und der kleine Platz an der muellito. Neue Häuser wurden gebaut. Angesagtere Gastronomie entstand, hell und natürlich mit Dachterrasse, denn die ist immer ein Umsatzbringer. Nun ist die Ecke von El Cotillo der Touristen Magnet. So schön und entspannt sich die Nachmittage an der muellito verbummeln lassen, sie ist weder etwas für Frühaufsteher noch für sun seakers, die sich an Sonnenuntergängen nicht satt sehen können. Im Sommer ab dem späten Nachmittag, ist das Jahr alt oder noch jung deutlich früher, liegt die Bucht völlig im Schatten, denn sie ist exakt nach Westen ausgerichtet. Häuserfronten und Klippen schatten nicht nur den Passat sondern auch die Morgen- und Abendsonne ab. Vor Sonnenuntergang heisst es also aufbrechen, von der Muellito de los Pescadores, denn wie schon Kinder wissen: „Im Westen ist die Sonne nie zu sehn“.

Plaza de El Cotillo – Tapas und Events.

► An der Muellito de los Pescadores versumpft niemand. Die Bars machen früh dicht, denn wer möchte schon abends, wenn die ganze Insel im herrlichen Abendlicht liegt, im Schatten sitzen. Also hinauf ins El Cotillo alto, denn höhere Lagen bekommen bekanntlich mehr Sonne ab. Ist es an der Fischermole schon schattig und in den Wintermonaten unwirtlich, sind die höheren Gassen noch sonnendurchflutet. In ihnen lässt sich das eine oder andere kleine Lokal entdecken, doch das Ziel ist die feria, der Plaza de El Cotillo. Der bekommt frei und hoch liegend viel Sonne, aber auch viel Wind ab. Auf ihm finden kleinere Musikveranstaltungen oder auch der Trödelmarkt während der Saison, offiziell „mercadillo artesanal con música en vivo“ genannt, statt. Dann muss es der Platz nicht sein. Das Ziel ist aber das Marea Alta, eine Location und ein Lokal mit wechselnder Geschichte, das nun wieder zu seinen Wurzeln und seinem Eigentümer zurück fand. Mittlerweile darf es auch Sessel und Tische vor dem Lokal aufstellen. Dort kann wunderbar in der frühen oder im Sommer auch sehr späten Abendsonne gesessen werden. Um Tapas zu essen, gibt es keinen besseren Ort in El Cotillo. Wer zum Sunset Walk früh aufbrach, könnte hier, als Appetit Anreger, ein paar Tapas nehmen, bevor es weiter geht, denn dafür sind sie gedacht, nicht als Abendessen. Ein paar sündige croquetas, champigñones con ajo und ein caña beispielsweise, um bis zum cenar durchzuhalten. Dann Aufbruch zurück Richtung muellito und zum Punta de Piedra, der südlich hoch über dieser liegt.

Punta de Piedra Alta – epische aber windige Sunsets.

► Punta de Piedra Alta, sehr frei aber treffend ins Deutsche übersetzt, ist das ein Kap mit einer kleinen Klippe. Der hohe Stein, „la piedra alta“, ist zwar nur knapp 20 m über Normalnull hoch, trotzdem hält er eine phänomenale Aussicht bereit. Die absolute Höhe ist egal, es heisst nur höher zu sein als das, was gesehen werden soll. So lässt sich wunderbar auf die Muellito de los Pescadores hinab, oder über El Cotillo blicken, dessen weisse Häuser bereits in warmes Abendlicht getaucht liegen. Viele El Cotillo Enthusiasten kommen am letzten Abend ihres Aufenthaltes hier her, um einen sehnsuchtsvollen Blick auf El Cotillo und das Meer zu werfen. Fuerteventura, El Cotillo, das sind raue Schönheiten, grob nicht fein, von Eleganz keine Spur. Fuerteventura lieben oder hassen, anders geht es nicht.


Der Punta de Piedra Alta ist nicht nur ein schöner Ort, um von der Insel, vor allem El Cotillo, Abschied zu nehmen: Egal zu welcher Jahreszeit, kündigt sich ein schöner Sonnenuntergang an, ist er von dort aus besonders spektakulär zu erleben. Im schwindenden Licht wird über den Bajo Augustino und die Lagune La Concha bis hinauf zum Leuchtturm Faro de Tóston, ist es klar sogar Lanzarote, geblickt. In den Wintermonaten entladen meterhohe Wellen ihre Energie am Kap. Auch stürmisch ist es dort oben am hohen Stein. Hier könnte die Tour enden, denn die Gemeinde hat ein altes Fischerboot als Bank und Windschutz adaptiert und zum Meer ausgerichtet. Dort kann sich der Spaziergänger vor dem Wind verstecken und den Sonnenuntergang geniessen. Trotzdem, noch einwenig weiter, zum Hafen hinüber, denn auch die historischen Kalköfen und der Wehrturm sind ins warme abendliche Licht getaucht besonders schön anzusehen. Hinüber zum Torre de El Tostón, der auch als Sunset Location sehr beliebt ist, denn hier lässt sich mit dem Auto vorfahren. In der Hauptsaison sollte er daher gemieden werden, aber im Winter nach der Saison ist es ein herrlicher und wilder Ort für einen Sonnenuntergang. Die Winterbrandung schlägt an manchen Tag bis hinauf zum Wehrturm. Dann heisst es auch Abstand von den Klippen halten!

Playa del Castillo aka Piedra Playa – ein Strand zum Verlieben.

► Letzte Etappe. El Cotillo wurde einmal Nord-Süd mit Abstecher nach Osten durchquert und nun über offene Fläche hinüber nach Süden zum Playa del Castillo. Der heisst so wegen des Wehrturms über ihm, wird aber von allen nur Piedra Playa genannt und sogar von der Gemeinde so angeschrieben. Auf Fuerteventura wird immer wieder den umgangssprachlichen Bezeichnungen gegenüber den kartographischen der Vorzug gegeben. Für Wanderer auf der Insel ist das nicht so toll, weil so die Wegweiser sinnlos werden. Heute ist das egal. Auf das Häuschen der socorristas zu halten, an dem es sich im Windschatten schon einige für den Sonnenuntergang gemütlich gemacht haben. An diesem hinunter zum Piedra Playa. Und dann zu Sonnenuntergang, ganz nach Geschmack, einen windstillen Ort in den Dünen oder an den Klippen suchen, über den Strand spazieren oder als Geheimtipp die Bank auf der südlichen Klippe des Strandes suchen, die immer einsam ist. Dort lässt sich windig aber erstklassig sitzen, um das Spektakel zu geniessen.
 

Die Sonne nähert sich dem Horizont und taucht die Westküste in atemberaubendes Licht, um nach und nach scheinbar im Atlantik zu versinken. Amateure brechen auf, sobald die Sonne versunken ist und verpassen so den finalen, oft mitreissendsten Akt: Das Nachglühen, denn nun beginnt die astronomische Dämmerung. Dann ist zwar der Feuerball nicht mehr zu sehen, die Strahlen der Sonne streifen aber immer noch das Geoid. Je nachdem, was in der Luft schwebt, Sahara Staub bei Calima, Dunst oder Wolken, beginnt dann ein atemberaubendes Farbspektakel, bis zu 45 Minuten, das violett, tiefrot, intensiv rosa oder orange sein kann. Warten die Gezeiten mit ablaufendem Wasser auf, wirkt der dünne Wasserfilm am Sand als Spiegel und reflektiert das Schauspiel am Himmel. Eine Traumwelt entsteht, nichts scheint mehr real, eine meditative Stimmung kommt auf, die in den Bann zieht. Hier begann schon für viele die Liebe zu Fuerteventura, einer Insel mit Ecken und Kanten, aber wer ihre Schönheit entdeckt, wird ihr all die verzeihen.

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