Egal, ob der Besucher von Betancuria (420 m) aus dem Norden vom Morro de Veloso o del Convento (676 m), oder aus dem Süden vom Mirador de Fénduca (419 m), kommend, die erste Hauptstadt des kanarischen Archipels erreicht, er bereist eine überraschend andere Welt von Fuerteventura. Keine karge Weite erwartet ihn, sondern ein enges Tal durchzogen von Palmen, durch das sich eine der schönsten Strassen von Fuerteventura schlängelt. Von ihr zweigen einsame Täler ab, wie jenes im Parque Parra Medina, in dem kaum mal ein Mensch angetroffen wird, dafür hunderte Vogelarten, ein Paradies für Birdwatcher. Tagelang kann im und um das Tal von Betancuria herum gewandert werden: Über den schönen Höhenkamm, der das Tal von Betancuria, den Barranco de Betancuria, von den weiten Ebenen um Antigua abtrennt oder vom Puerto de la Torre bei Salinas del Carmen über Antigua nach Betancuria beispielsweise. Die Topographie von Fuerteventura könnnen Wanderer wunderbar an grossen Relief-Modellen der Insel im Museum des Morro de Veloso studieren. Das gibt viele Anregungen, Fuerteventura abenteuerlich zu entdecken.
Durch die Abgeschiedenheit der Seitentäler der Gemeinde Betancuria, sind in der Umgebung des Ortes Betancuria nicht nur zahllose Brutgebiete von Zugvögeln zu finden, sondern auch unzählige kanarische Endemiten, die anderen Orts verschwunden sind. Zu Zeiten des Kalkbrandes im 19. Jhd., wurde alles Brennbare in den Schachtöfen verfeuert. So sind die letzten Jahrhunderte alten wilden Ölbäume der Insel in der Gemeinde zu finden. Im Parque Castillo de Lara wird versucht, die kanarische Kiefer zu kultivieren. Eine Kiefernart, die zur letzten grossen Vergletscherung Europas (Würm-Glazial) ausstarb, sich aber auf den Kanaren auf Grund des konstanten Klimas halten konnte. Ihre nächsten Verwandten finden sich abseits der Kanaren erst in Korea wieder. Die kanarische Kiefer hat besonders buschige und dichte Nadeln, was sie zur Augenweide und interessantem Fotomotiv macht. Durch sie kann der Baum die Feuchte aus den Passat Wolken filtern und so ohne einen Tropfen Regen lange überleben.
Ist über die kurvige FV-30 aus Nord oder Süd Betancuria erreicht, wird auf ein hübsches, idyllisches kleines Städtchen gestossen, das kaum ein Tourist so auf Fuerteventura erwartet hätte. Die Kathedrale Santa María, der zweite Bischofssitz des kanarischen Archipels, ragt über das Städtchen. Der erste Bischofssitz der Kanaren war die kleine Kirche im Fort Rubicón auf Lanzarote. Erreicht die FV-30 steil hinab vom Morro de Veloso kommend Betancuria, findet sich linker Hand ein grosser Parkplatz. Eine gute Idee dort sein Auto abzustellen, um zum alten Franziskaner Kloster San Buenaventura und den Konvent hinüber zu gehen. Von dort lässt sich dann in wenigen Minuten in den Ort hinein spazieren. Als erstes wird auf Santa María getroffen. Von ihr kann durch die kleinen Gassen geschlendert werden, in denen immer üppig blühend der Bougainville und andere Pflanzen über die Hausmauern hängen.
Wem der Sinn nach mehr Bewegung steht, der kann vom Parkplatz am Konvent einen netten Spaziergang über einen Karrenweg hinauf zum Morro de Veloso (676 m) unternehmen. Das gibt Einblicke, wie geschickt Betancuria am wasserreichen Barranco de Betancuria angelegt wurde. Der gesamte Wasserlauf ist mit Staustufen durchzogen, die Gavias bewässerten. Gleich nach dem Konvent wird ein historischer Dreschplatz passiert. Lediglich 250 Höhenmeter sind es hinauf zum Morro de Veloso, auf dem nicht nur ein interessantes Museum wartet sondern ein absolut grandioser Ausblick über den Norden der Insel und zur Westküste. Wanderer, die vom Museum die letzten 10 Höhenmeter zum Gipfel nehmen, sehen im Westen zwei grosse Ziegenfarmen. Sie liegen auf grossen Weideflächen über Betancuria am Morro Valdés und Lomo de la Cerca. Beide Farmen verkaufen ab Hof Ziegenkäse. Auf der Ebene des Morro Valdés, nahe der ersten Ziegenfarm, findet sich auch eine Piste hinüber in das Tal des Barranco de la Peña, die aber durch eine Kette versperrt wird. Sie führt in eines der vielen versteckten und einsamen Täler Fuerteventuras zur Finca "Huerto del Risco" ("Gemüsegarten am Felsen") hinüber. Urlauber, die eine absolut einsame Wanderung unternehmen möchte, können den Barranco de la Peña durchwandern und erreicht bei Ajuy des Felsentor Arco del Jurado.
Obwohl historischer Mittelpunkt von Fuerteventura und zentraler Ort der Geschichte des kanarischen Archipels, geht es ausserhalb der Sommermonate sehr ruhig in Betancuria zu. Nur im Sommer werden ab dem späten Vormittag intensiv Touristen mit Bussen angekarrt, ab dem frühen Nachmittag wird es wieder ruhig. In der Off Season ist es einsam im 215 Seelen Ort (2018). Dann kann er richtig genossen werden. Vögel singen, es blüht, ein prächtiger Ort um zu entspannen. Zu richtigem Leben wird Betancuria an wenigen Tagen im Jahr erweckt. Der eine ist am Tag des Betancuria Mountain Climb, wenn die FV-30 gesperrt wird und Motorsport Enthusiasten die Strasse säumen. Drei Läufe werden zum Morro de Veloso bei Volksfeststimmung hinauf gefahren. Die anderen Tage geht es um das Feiern, die Fiesta San Buenaventura im Juli und die Fiesta San Diego de Alcala im November. Die erste Fiesta zu Ehren des ersten Klosters des kanarischen Archipels, die zweite zu Ehren eines der beiden ersten Franziskanermönche des Klosters, San Diego de Alcala. Er und sein Ordensbuder Juan de San Torcaz fanden der Legende nach in einer Nacht die Alabasta Statue der Virgen de la Peña im Palmental. Eine Lichterscheinung wiess den Weg, dort, wo heute nahe des Staudamms Presa de la Peña die kleine Ermita zu finden ist.
Bevor die normannischen Eroberer nach Fuerteventura kamen, war das fruchtbare Tal von Betancuria nicht besiedelt. Majoreros zogen, wie sie es aus Nordafrika gewohnt waren, als Halbnomaden mit ihren Ziegenherden über die Insel. Kaum eine feste, dauerhaft bewohnte Siedlung dürfte es gegeben haben. Eine der wenigen lag wohl bei La Oliva. Die Hirten zogen dort hin, wo es gerade Weiden und Wasser gab. Viele der ersten spanischen Siedler von Fuerteventura lebten wenig anders, zogen als Flechtensammler über die Insel, fischten wenn die Saison dafür war, arbeiteten als Erntehelfer. Ein gutes Beispiel dafür ist El Jablito. Einige Spuren haben die ersten Bewohner der Insel aber um Betancuria hinterlassen. Wird durch das schöne Tal des Parque Parra Medina zum Hügel "Morro de Humilladero" (550 m) hinauf gestiegen, der von einer Ansammlung grosser Basaltfelsen gekrönt wird, können dort Felsritzungen der Majoreros gefunden werden.
Als Jean de Béthencourt und Gadifer de La Salle 1402 auf Lanzarote landeten, stiessen sie auf Ureinwohner, die schon Erfahrung mit den Portugiesen gemacht hatten. Bereits 1336 erreichte der Portugiese Lancelotto Malocello Lanzarote und dürfte dort einige Monate recht friedlich mit den Ureinwohnern zusammen gelebt haben. Daher waren die "Mahos", die Ureinwohner von Lazarote, nicht besonders misstrauisch gegenüber den Neuankömmlinge. Ein schwerer Fehler, denn Jean de Béthencourt wird von seinen Begleitern als immer übel gelaunter, verschlagener und besonders gemeiner Normanne beschrieben. Grossen Widerstand hättten die Mahos aber auch nicht leisten können. Es sollen um die 300 gewesen sein. Die Majoreros vom Fuerteventura waren hingegen vor den Neuankömmlingen auf der Hut. Obwohl mit einer geschätzten Population von 1.700 deutlich in der Überzahl, waren sie jedoch waffentechnisch den Normannen völlig unterlegen und so versteckten sie sich in den Bergen. Um sie in die Zange nehmen zu können, errichteten die Eroberer zwei Forts: Fort "Richeroque" durch Jean de Béthencourt, aus dem El Roque hervorging und "Fort Valtarajes" durch Gadifer de La Salle, aus dem Betancuria hervorging.
Zügig wurde im 15. Jhd. Betancuria aufgebaut. Reiche Spenden ermöglichten einen für die Insel und Bevölkerungsanzahl fast schon monumentalen Klosterbau San Buenaventura. Überall wurde daran gearbeitet, die Insel zu bewirtschaften, unter härtester Arbeit und nicht immer freiwillig. Man riss sich auf der Iberischen Halbinsel nicht darum, auf das Eiland "verlegt" zu werden. Ganze Familien wurden einfach umgesiedelt. 1593 kam für Betancuria die grosse Katastrophe. Der nordafrikanische Pirat Xabán Arráez, der selbst bis in die Niederlande und Grossbritannien segelte, um an den Küstendörfern Beute und Sklaven zu machen, fiel über die Insel her, versklavte einen Grossteil der Bewohner Betancurias und brannte Kirche und Kloster nieder. Mit dem Feuer wurden die kirchlichen Archive vernichtet. Damals die einzigen historischen Quellen. Kostbares Wissen ging verloren und so liegt vieles der ersten spanischen Zeit auf Fuerteventura im Dunkeln. Mangels Bewohner dauerte es lange, bis Betancuria wieder aufgebaut war und sich der Ort erholt hatte. Xabán Arráez hatte ganze Arbeit geleistet. Erst 1691, also rund hundert Jahre nach seinem Überfall, war die Iglesia Santa María und das Kloster San Buenaventura wieder aufgebaut. Die beiden schweren Hungersnöte der 1680iger Jahre, welche die Inselbevölkerung von rund 4.500 auf 2.400 dezimierte, liess überdies weder Kraft noch Zeit Kirchen und Klöster zu bauen. Es ging auf Fuerteventura um das nackte Überleben.
Heute ist Betancuria ein schmuckes kleines Städtchen, wie aus dem Bilderbuch. Sauber, überall blüht es, Palmen. Ein Wasserlauf, der Barranco de Betancuria, durchzieht den Ort. Alles wirkt friedlich und idyllisch in dem 215 Seelen Ort (2018). Nichts erinnert an die dramatischen Ereignisse, als Kirche und Kloster den letzten Kornspeicher der Insel, der noch gefüllt war, in den 1680igern in Betancuria öffnete und das letzte Gofio an die verhungernde Bevölkerung ausgab. Es wurde der Bevölkerung geraten, sich nach Caleta de Fuste aufzumachen und zu versuchen mit irgendeinem Schiff von der Insel zu kommen. An Bord eines Schiffes kamen wenige. Die wurden mit Gewalt verteidigt. Wer es schaffte, wurde auf See von Bord geworfen. Andere Schiffe sanken wie zum Beispiel am Arrecife del Griego am Punta de Jandía. Manch einer machte sich auch mit seinem kleinen Fischerboot auf den Weg nach Kuba oder Venezuela und einige schafften die Atlantikpassage tatsächlich. Betancuria, hübsch und idyllisch, dramatische Geschichte weht durch die Gassen, die es wert wäre, den Besuchern vor Ort näher zu bringen. Die Geschichte der Kanaren als Tor zur neuen Welt, als Wiege der spanischen Aufklärung, aber auch Ausgangspunkt des spanischen Bürgerkrieges, das ist eine spannende Geschichte, in der auch die Sonneninsel Fuerteventura ihre Rolle zu spielen hatte.
Für Geschichtsinteressierte ist Betancuria natürlich ein Pflichtbesuch. Wen das weniger interessiert, der findet in Betancuria einen wunderbaren Ort, in der August Hitze zu entspannen. Schattige Ecken, ruhig, herrlich, um die Gegend zu geniessen, einen Zwischenstopp auf einer Inselrundfahrt einzulegen. Auch der Müßiggang ist wichtig, aber schwerer als manch einer meint. Von den Canarios kann er gelernt werden.
Die Gegend um Betancuria ist ein El Dorado für Entdecker. Der Parque Parra Medina ist ein Paradies für Birdwatcher und Botaniker. Die Wanderung von Betancuria, oder in der kürzen Variante von Vega de Río Palmas nach Ajuy, ist wohl eine der schönsten Wanderrungen der Insel. Mit dem Mirador de Fénduca (419 m) und dem Morro de Veloso o del Convento (676 m) liegen um Betancuria zwei der schönsten Aussichtspunkte von Fuerteventura. Grillfans finden den schönsten Grillplatz der Insel, versteckt gelegen und nur Einheimischen bekannt, im Parque de Castillo Lara.
Die FV-30, die Betancuria mit Pájara verbindet, ist die schönste Strasse der Insel. Wer sie befahren hat, wird sie in vielen Werbespots renommierter Automarken wieder erkennen. Auch Rennradfahrer lieben sie, die sich im Frühling die ersten Kilometer am Bike holen, um fit für die neue Saison zu werden. Für Fotografen hält die Gegend einige der spektakulärsten Locations von Fuerteventura bereit. Vor allem im späten Nachmittagslicht, wenn die tiefe Sonne von der Küste im warmen Streiflicht die Gegend anstrahlt, sollten Fotografen ausrücken.
Betancuria mit seiner wunderbaren Umgebung bietet absolut für jeden etwas.
Messen in der Kathedrale Santa María:
Jeden Freitag 17:30 Uhr.
Siehe Santa María de Betancuria.
Siehe Santa María de Betancuria.
Parque rural Parra Medina – wandern in einem einsamen Tal.
Der Parque rural Parra Medina ist ein einsames Tal, das reich an seltenen Pflanzenarten und Vögeln ist. Der Name "parra" weisst darauf hin, dass im Tal einst Wein angebaut wurde. "parra" steht für "Weinstock. Die Gemeinde Betancuria hat am Ende des Tales eine kleine hübsche Finca errichtet, eine Jugendherberge, die jungen Leuten die Natur näher bringen soll. Wenn keine Jugendgruppe im Tal ist, wird es ruhig, auch wenn das Tal in einer schönen Wanderroute liegt, die Antigua und Vega de Río Palmas verbindet.
Birdwatchern oder Botanikern wird der Parque de Parra Medina besonders gefallen. Es finden sich Jahrhunderte alte Ölbäume, wilde Oliven, Oleaster, seltene Zugvögel und mehr. Wanderer, die auf den Morro del Humillardero (550 m) hinauf steigen, bekommt den schönsten Ausblick auf Betancuria geboten, Felsritzungen der Majoreros inklusive. Die sind etwas schwer zu finden und das ist auch gut so. Der Parque rural Parra Medina ein herrliches Naturerlebnis.
Es gibt immer mehr Menschen, die kommen länger Zeit nach Fuerteventura, ein paar Monate mit dem Wohnmobil zum Beispiel. Nur Strand ist auch langweilig, auch wenn sie noch zu schön sind auf Fuerteventura. Für etwas Abwechslung und um neue Bekanntschaften zu knüpfen, bietet sich der schöne Parque Castillo de Lara an. Ein Naturpark zum Grillen samt schönem Kinderspielplatz in den Bergen.