Die Kathedrale Santa María wurde 1410 im Ort Betancuria, früher einmal Santa María de Betancuria, errichtet, die Jean de Béthencourt 1405 gründete und als älteste Stadt Fuerteventuras und der Kanaren gilt. Alle anderen Ansiedelungen davor waren rein strategische Befestigungen, um aus ihnen heraus Guanchen anzugreifen oder sich vor ihnen zu schützen. So wurde schon 1402 auf Lanzarote in der Rubicón Ebene das "Castillo de Rubicón" angelegt. Von ihm aus wurde 1403 ein Brückenkopf auf Fuerteventura, El Roque, errichtet, der über den Hafen Puerto el Roque, dem heutigen El Cotillo, versorgt wurde. Oft ist zu lesen, dass die Iglesia de Santa María de Betancuria die erste Kathedrale, also Bischofssitz, der Kanaren gewesen sei. Das ist nicht richtig, denn schon bevor Fuerteventura erobert war und Béthencourt mit La Salle 1402 das kleine Fort "Castillo de Rubicón" samt einer kleinen Kapelle nahe des Playa de los Papagayos auf Lanzarote errichtete, war der Gegenpapst Benedikt XIII. (* 1394 – † 1423) so begeistert bald viele neue Schäfchen als Christenmenschen begrüssen zu dürfen, dass er kurzer Hand 1404 in der Bulle „Romanus pontifex“ die Natursteinkapelle auf Lanzarote zur Kathedrale erklärte. Damit machte er sie zu einem astreinen Bischofssitz, die jedoch nie einen solchen zu Gesicht bekam.
Bereits 1336 wurden durch den Genueser Lancelotto Malocello (* 1307, Genua, unbestätigt - † 1384, unbekannt), im Auftrag der Portugiesen, die Kanaren offiziell wieder entdeckt. Einiges ist in den Aufzeichnungen des portugiesische Steuermanns Nicoloso da Recco (* 1327 - † 1364), die in Latein gehalten sind, dokumentiert. Wahrscheinlich lebte Lancelotto Malocello sogar einige Monate friedlich mit den Ureinwohner, den Mahos, auf Lanzarote zusammen. 1336 ist jedenfalls das offizielle Jahr der Wiederentdeckung, davor trieben sich aber schon lange Zeit nordafrikansche Sklavenjäger oder Robbenjäger auf den Kanaren herum und die hatten kein Interesse daran, die Lage ihrer "Jagdgründe" an die grosse Glocke zu hängen. Dass die Kanaren je in Vergessenheit gerieten, nachdem die Phönizier wohl als Erste auf sie stiessen, ist ein Mythos. Sie waren vom Radar des mittelalterlichen Europas, doch das war und ist nicht der Nabel der Welt.
Schon vor dem Gegenpapst Benedikt XIII. (* 1394 - † 1423), war Papst Clemens der VI. (* 1342 - † 1352) von der Vorstellung angetan, viele neue potentielle Christenmenschen als seine Untertanen auf den Kanaren beanspruchen zu können und genehmigte 1351, kurz vor seinem Tod, die Gründung des Bistums Telde auf Gran Canaria. Kathedrale hatte es aber keine. Somit war die erste Kathedrale des Archipels, also Bischofssitz, die Kapelle im Fort Castillo de Rubicón auf Lanzarote, wie dies vom Gegenpast Benedikt XIII. 1404 festgelegt wurde. Das Bistum Telde gehörte bereits 1393 wieder der Vergangenheit an, denn die Guanchen waren im Gegensatz zu den Majoreros auf Fuerteventura zehntausende und sehr wehrhaft. So warfen sie kurzer Hand die ersten Missionare in den 170 m tiefen Vulkankessel des Pico de Bandama bei Telde. Das galt als übliche Todesstrafe für gravierende Fehltritte. Somit war die Missionierung wie im Flug beendet. Papst Clemens der VI. erlebte das nicht mehr, denn er musste schon 1352 bei seinem Schöpfer vorstellig werden.
Als Jean de Béthencourt und Gadafir de la Salle, mit Genehmigung der kastilischen Krone, 1402 auf Lanzarote landeten, legten sie dort als ersten Brückenkopf das Fort "Castillo de Rubicón" an. Jean de Béthencourt, der alsbald nach Madrid eilte, um weitere Mittel aufzutreiben und sich die Lehnsrechte hinter dem Rücken von la Salle unter den Nagel zu reissen, berichtete in Madrid begeistert von zu erwartenden Reichtümern. Es wurde der zweite und nun erfolgreichere Anlauf einer Christianisierung des kanarischen Archipels unternommen und am 7. Juli 1404 das Bistum Rubicón, erst einmal nur formal, auf Anordnung des Gegenpapstes Benedikt des XIII. gegründet. Es wurde dem Erzbistum Sevilla und dem Schutz der dortigen Militärmacht unterstellt. So gehörte die Iglesia de Santa María de Betancuria zum Bistum Rubicón auf Lanzarote und zum Erzbistum Sevilla und wurde vom Gegenpapst Clemens VIII. (* 1423 - † 1429) 1424 zur Kathedrale erhoben, also einem Bischhofssitz. Schönheitsfehler, Santa María sah physisch nie einen Bischof, denn niemand wollte als Bischof auf der kargen Insel Fuerteventuras leben. Die Geistlichkeit stellte sich mehr Luxus vor und so wurde das Bistum 1483 unter Papst Sixtus IV. (* 1471 - † 1484) nach Las Palmas de Gran Canaria verlegt. Noch heute fungiert es als Bistum des gesamten kanarischen Archipels. In Las Palmas de Gran Canaria lebt es sich doch deutlich luxeriöser und komfortabler als in Betancuria.
Die Knochenarbeit der Missionierung durften zwei Franziskanermönche, Bruder Juan de San Torcaz und Bruder San Diego de Alcalá, übernehmen. Ihr beachtliches Talent ist im Werk "Le Canarien", verfasst von den Missionaren Pedro Bontier und Juan Le Verrier, dokumentiert. Sie begleiteten Jean de Béthencourt und Gadafir de la Salle, um dem Raubzug der Normannen einen legalen Anstrich zu geben. "Le Canarien" ist jedoch mit Vorsicht zu geniessen. Die erste Fassung war wohl zu wahrheitsgetreu. So liessen die Conquistadores das Werk nach ihren Vorstellungen umschreiben. Tatsache ist, dass die beiden Franziskaner Brüder mit viel Geschick und ohne Gewalt, wie dies besonders auf Teneriffa der Fall war, alsbald die Majoreros bekehrt und "durchgetauft" hatten. Sie bedienten sich eines sehr weltlichen, praktischen Ansatzes, für den sie noch nicht einmal die Bibel gross bemühen mussten: Sie machten den Majoreros klar, wer getauft sei, stände als Christenmensch sofort unter dem Schutze Gottes und dürfte nicht mehr versklavt werden. Die Taufe als Art "Schutzimpfung" gegen die Sklaverei. Dieses Argument sagte den Majoreros zu, denn sie wurden seit Jahrhunderten von nordafrikanischen Sklavenjägern terrorisiert. Eine Taufe tat nicht weh und an was man tatsächlich glaubte, war in der Regel schwer festzustellen. Majoreros, die getauft waren, hatten die Möglichkeit Land zu erhalten und zu bewirtschaften. Eine recht zweifelhaftes Privileg, denn irgendwer musste die Arbeit auf der Insel verrichten, um das Leben auf der kargen Insel Fuerteventura zu ermöglichen. Conquistadoren dachten nie ans arbeiten. Frei waren die Ureinwohner der Kanaren nicht wirklich. Sie lebten in einer härteren oder weniger härteren subtilen Sklaverei.
1593 wurde der Entwicklung von Betancuria ein jähes Ende gesetzt. Der nordafrikanische Seeräuber Xabán Arráez überfiel Betancuria, plünderte und brannte es nieder. Kirche und Kloster wurden bis auf die Grundmauern zerstört. Jeden, den Xabán Arráez fangen konnte, verschleppte er in die Sklaverei. In Afrika wurden für weisse Sklaven gute Preise bezahlt. Auch an den britischen und spanischen Festland Küsten, versetzten maurische Sklavenjäger die Bewohner zu dieser Zeit in Angst und Schrecken. Der Sklavenhandel ging also auch in die andere Richtung, was historisch ungern diskutiert wird, war Haupteinnahme Quelle der islamischen Welt bis in die Neuzeit hinein und übertraf jenen der westlichen Welt um ein kaum vorstellbares Ausmass. Ein Relikt dieser Zeit ist die Redewendung "¡hay moros en la costa!" was auf spanisch "Vorsicht" bedeutet und wörtlich heisst: "Es sind Mauren an der Küste!".
Erst 1691 war die Kirche Santa María und das Benediktiner Konvent San Buenaventura wieder aufgebaut und erstrahlte in bemerkenswertem Glanz, der bis heute erhalten blieb.
Die Iglesia de Santa María de Betancuria, wird durch das südliche Seitenschiff betreten. Am Giebel des Südportals prangt das Familienwappen der Béthencourts. In der dreischiffigen Kathedrale fällt als erstes die mächtige Holzdecke auf, die sich von aussen so nicht erahnen lässt. Wie die Kirche Iglesia Nuestra Señora de la Candelaria in La Oliva, ist auch sie im wunderschönen maurischen Mudéjarstil gearbeitet. Es lohnt genau hinzusehen. Die Iglesia de Santa María ist eines der wenigen kirchlichen Bauwerke der Spätrennaisance auf den Kanaren und ein besonders schönes Beispiel für diese Epoche.
Ein mächtiger vergoldeter barocker Hochalter krönt das Hauptschiff. Er ist das Werk eines namentlich nicht bekannten Holzschnitzers aus Teneriffa und entstand während des Wiederaufbaus von Santa María. Im Hochaltar ist eine holzgeschnitzte Muttergottes-Statue zu finden, die einen sichelförmigen Mond in Händen hält. Dies soll den Sieg des Christentums über die Mauren symbolisieren. Mit dem Fall Granadas am 2. Januar 1492, konnten die "Reyes Católicos", Isabel I. und Fernando II., die Reconquista der iberischen Halbinsel abschliessen. Ein wichtiges Datum, das den Weg Spaniens unter Carlos I. (Karl V.) zur bestimmenden Weltmacht einläutete.
In der Sakristei findet sich ein kleines Museum, das historische Gegenstände, die in der Liturgie verwendet wurden und werden, ausstellt. Das kann mitgenommen werden, das wahre Interessante ist aber das Bauwerke und dessen Geschichte in seiner Gesamtheit.
Betancuria ist Fixpunkt all jener Fuerteventura Besucher, die nicht nur am Strand in der Sonne liegen oder sich nur ausnahmslos dem Surfen widmen wollen. Die Kathedrale Santa María de Betancuria ist ein schönes Zeitdokument der Christianisierung des kanarischen Archipels. Natürlich darf kein Kulturdenkmal wie in Siena, Florenz oder ähnlichen Städten erwartet werden. Nicht zu vergessen auch, dass die Gegend um Betancuria vieles zu bieten hat, wie grandiose Aussichtspunkte über die Insel, schöne Naturparks, spektakuläre Wanderungen und vieles mehr.
Wie es sich für eine echte Touristenattraktion gehört, finden sich allerlei gastronomische Betriebe im Umfeld der Kathedrale, die auch alle samt am frühen Abend schliessen, wenn die Touristen wieder in ihre Hotels abgefahren sind. Dann ist Betancuria wieder, wie auch am Morgen, recht ausgestorben. Die schönste Zeit, um durch den hübschen Ort zu spazieren.
Die Iglesia Santa María de Betancuria liegt an der wunderschönen FV-30, der Bergstrasse, die von den nördlichen Ebenen, den Llanos de la Concepción, über Betancuria und Vega de Río Palmas zum Verkehrsknoten Pájara hinüber führt.
Messen in der Kathedrale Santa María:
Jeden Freitag 17:30 Uhr.
Öffnungszeiten:
Mo-Sa: 10:00-12:30 + 13:00-15:45.
So: 10:30-14:15.
Eintritt:
Erwachsene: 1,50 Euro.
Kinder unter 12 Jahren: gratis.
Anmerkung: Der Besuch der Messe ist natürlich ohne Eintritt möglich. Es gilt zubeachten, dass grosse Teile der Spanier und auch besonders der Canarios, sehr gläubig sind. Während Messen im heiligen Haus herumzugehen und zu fotografieren, eventuell auch noch in kurzer Hose und Ruderleibchen, ist ein absolutes No-go! Auch während der Besichtigungszeiten wird angemessene Kleidung zu Recht erwartet!
Mudéjarstil – Iglesia Nuestra Señora de la Candelaria in La Oliva.
Wie in der Kathedrale Santa María, findet sich in der Iglesia Nuestra Señora de la Candelaria in La Oliva, eine wunderschöne Holzdecke im "Mudéjarstil". Mudejaren waren Mauren in Spanien, die zum grossen Teil als Tischler, Maurer oder in angrenzenden Berufen arbeiteten und Technologie nach Europa brachten. So flossen arabische Elemente in die Architektur der iberischen Halbinsel ein. Mudejaren prägten das Handwerk derart, dass noch heute viele Fachbegriffe in diesen Berufen aus dem Arabischen stammen. Der Architekturstil erlangte auf der iberischen Halbinsel im 14. Jahrhundert seine Blüte.
Mit der Kapitulation Granadas am 2. Januar 1492, war die Reconquista der iberischen Halbinsel abgeschlossen. Mudejaren, die konvertierten, durften bleiben und ihren Beruf weiter ausüben. Viele zogen vor nach Marokko zu emigrieren und trugen so den Baustil nach Nordafrika und somit in die Nähe der Kanaren. Nach der Vertreibung der Mauren folgten Juden Vertreibungen. Viele Historiker sehen diese Vertreibungswellen als Initialzündung des Niedergangs Spaniens und dem Verharren als Agrarstaat bis ins 21. Jhd. hinein. Wissen, Technik, Kunst, Kultur wurde im Namen der katholischen Kirche vertrieben. Es blieb die Landwirtschaft.
Bei Touristen völlig unbekannt, liegt in einem Barranco keine 10 Minuten von Betancuria entfernt, ein kleines Kiefernwäldchen. Es wird mit viel Einsatz und Liebe aufgeforstet. In dem kleinen, lauschigen Wäldchen, hat die Gemeinde schöne Grillplätze, Sanitäranlagen und einen Spielplatz errichtet. Am Wochenende von Einheimischen geliebt und stark frequentiert, ist das Castillo de Lara unter der Woche ausgestorben.
Wer sich auf Fuerteventura einen ganz besonderen Tag gestalten möchte, könnte den Morro de Veloso o del Convento (676 m), Betancuria und Vega de Río Palmas besuchen und danach zum Castillo de Lara fahren. Bewaffnet mit einer Kühltasche, Grillgut und Getränken, einwenig Holzkohle, könnte so ein ganz besonderer und sicher unvergesslicher Urlaubstag ausklingen. Fuerteventura mal etwas anders.
Anmerkung: Offenes Feuer ist nur zu den "Öffnungszeiten" erlaubt. Dann sind Parkranger anwesend und stellen sicher, dass es zu keinen Bränden kommt.