Überall dort in der Vergangenheit, wo sich Lücken für Spekulationen auftuen, machen sich Menschen auf, um sie mit Fantastereien zu füllen. Und je haarsträubender die Theorien sind, desto besser kommen sie an. Die ägyptischen Pyramiden wurden von Ausserirdischen gebaut, in Mexiko befinden sich UFO Landebahnen, Espinosa wies nach, dass die Kanaren die letzten Bürger Atlantis waren, in Cofete betrieb Gustav Winter einen Nazi U-Boot Hafen und züchtete grosse blonde, blauäugige Herrenmenschen und ein bayerischer Professor folgerte, Canarios sind eigentlich Germanen. Wer sich mit der Herkunft der Ureinwohner der Kanaren befasst, trifft auf ein Panoptikum "wissenschaftlicher" Ausführungen, die einer gelungenen Satire gleichen. Dabei ist gar nichts mysteriöses an den Canarios und wer sich an die Fakten hält wird schnell entdecken, es waren ganz einfach Berber. Und das ist wohl auch das nahe liegendste, denn ihr altes Reich lag nur 100 Km über den Atlantik in Afrika.
Sehen wir einmal davon ab, dass es Forscher gab, die behaupteten schon der Cro-Magnon Mensch wäre über die Strände Fuerteventuras gelaufen, ist es doch für den Deutschen am interessantesten zu hören, dass alle Kanaren ursprünglich Germanen waren, also astreine Landsleute. Das glaubte zumindest Dr. Franz von Löher (* 15.10.1818, Paderborn – † 1.3.1892, München). Franz von Löher war kein Insasse einer Nervenheilanstalt, nein er war Jurist und Historiker, auch Politiker. Neben dem, dass er sich ganz sicher war, dass alle alt Canarios Germanen waren, hatte er auch politisch gute Ideen. Er startete eine "Steuerverweigerungs Kampagne", um den zentral Staat in die Knie zu zwingen. Leider machte keiner mit. Löher war also immer schon gut für eine verrückte Idee. Vielleicht fehlten ihm einfach die sozialen Medien, um politisch mit seinen Kampagnen zu punkten.
Jedenfalls war sich Dr. Franz von Löher sicher, der germanische Krieger "Doramas" hätte sich aufgemacht, die Kanaren zu besiedeln. Löher erkennt auch überall auf den Inseln germanische Ortsnamen wie z.B. "arere-huas“, was er dem Ort "Arehucas" auf Gran Canaria zuordnet, dort, wo der beliebte "Arehucas" Rum destilliert wird, immerhin die älteste Rum Destillerie weltweit. Aber auch auf Fuerteventura identifiziert er germanische Namen wie "hacomar", die es als die "Casas de Jacomar" beispielsweise gibt. Nur sind die vom Conquistador "Jacomar Viernes" abgeleitet und der kam im 15. Jhd. als Normanne und sprach französisch. Erste dieser wegweisenden Erkenntnisse kann man in seinem Reisebericht über die Kanaren nachlesen: Löher, Franz von: “Nach den Glücklichen Inseln, Canarische Reisetage“, Verlag von Velhagen und Klasing, Bielefeld und Leipzig, 1876, 388 Seiten, mit einer Landkarte der Kanarischen Inseln.
Trotz oder wegen seiner kruden Theorien, Nationalismus war damals angesagt, wurde Franz von Löher 1856 Mitglied der bayerischen Akademie der Wissenschaften, die ihm auch noch 1859 den "Lehrstuhl für allgemeine Literaturgeschichte und Länder- und Völkerkunde" einrichtete. Seine Germanen Theorien fanden Anklang und so findet sich z.B. im Feuilleton der Zeitschrift „Neue Freie Presse“ vom 12. Mai 1876 ein köstlicher Artikel „Die Germanen auf den canarischen Inseln.“ Angespornt, wie gut seine Theorien angenommen wurden, verfasste Löher eine "Gesamtausgabe" seiner Forschung, "Das Kanarenbuch. Geschichte und Gesittung der Germanen auf den kanarischen Inseln". Kurz nach dem das Manuskript fertig war, verstarb Löher. Sein Sohn machte es sich zur Aufgabe es drucken zu lassen: Löher, Franz von: "Das Kanarenbuch, Geschichte und Gesittung der Germanen auf den Kanarischen Inseln", München, J.Schweizer Verlag, 1895, 604 Seiten. Selbst ein spanisches Exzerpt wurde gut 100 Seiten stark herausgegeben als "Los Germanos en Las Islas Canarias". Beide Bücher sind in einigen Antiquariaten zu haben, scheinen aber Ladenhüter zu sein.
Oft wird behauptet, Phönizier hätten als erstes die Kanaren besiedelt. Diese Behauptung wird gerne unkritisch aufgenommen, hört sich gut und interessant an. Es ist schön zu sehen wer von wem abschreibt, ein Reiseführer vom anderen, das landet in Blogs und irgendwann gilt es als Tatsache. Nur wie sieht es wirklich aus um die Phönizier und die Kanaren? Wer es wissen will, muss einwenig recherchieren und lesen und dann wird es recht klar.
Mit Assurnasirpal II (* 883 – † 859 v.Chr.) begann der Aufstieg der Phönizier und die Kolonialisierung des gesamten Mittelmeerraumes. Doch "die Phönizier" gab es nie, denn es war ein Sammelbegriff erfunden von Griechen, die darunter alle Völker aus der Levante verstanden wie aus dem Libanon oder Syrien. Römer nannten sie angelehnt ans Griechische "Punier". Auch "die Phönizier" verstanden sich nicht als ein Volk, sondern als Gebilde aus dezentralen Stadtstaaten die unter abwechselnder Herrschaft eines Grossreiches standen, erst Ägypthen dann Persien. Es verband sie eine gemeinsame Sprache, die in den Regionen eigene Dialekte ausprägte und eine gemeinsame abstrakte Buchstabenschrift. Hätte man einen Phönizier in Nordafrika gefragt was er sei, hätte er Karthager geantwortet.
Phönizier waren begnadete Schiffsbauer, Seemänner, Handwerker, Händler. Ihre Talente in der Seefahrt und im Handel nutzten sie, um das gesamte Mittelmeer mit Handelsstädten zu überziehen. Sizilien, Sardinien, jede bedeutende Stadt an der spanischen Mittelmeer Küste wurde von Phöniziern gegründet wie Barcelona, Málaga, Tarifa, Cadiz um nur einige zu nennen und auf der nordafrikanischen Seite Karthago, das heutige Tunis oder Tanger an den "Säulen des Heraklas", der Seeenge von Gibraltar. An der Atlantikküste reichten ihre Handelsstützpunkte bis Portugal. Abul war der nördlichste Stützpunkt. Weiter ging es nicht. Im Süden war der entlegenste Stützpunkt an der Atlantikküste Essaouira nördlich vom recht spät gegründeten Agadir. Das die Phönizier den Handelsstützpunkt Essaouira gründeten, genau genommen Hanno der Seefahrer im 5. Jhd.v.Chr., hatte eine einfache Erklärung. Vor Essaouira liegt die Inselgruppe Mogador mit reichen Pupurschnecken Bänken und Purpur war eine der wichtigsten Handelswaren der Phönizier, denn Purpur machte reich! Noch heute kostet ein Kilo echtes Purpur aus der Purpurschnecke 70x soviel wie 1 Kilo reines Barrengold. Nur kamen die Phönizier über die Mogador Inseln hinaus, auch weiter südlich bis zu den Kanaren? Fuerteventura liegt nur 500 Km entfernt. Für phönizische Seefahrer ein Kinderspiel.
Wenig ist über die Phönizier bekannt, obwohl sie eine hoch entwickelte Schrift hatten. Sie schrieben auf organischen Materialien, die alle verrotteten. Erhalten sind nur religiöse Inschriften an Gebäuden und griechische Übersetzungen phönizischer Texte. So z.B. der Reisebericht von Hanno dem Seefahrer, der sich aufmachte die afrikanische Atlantikküste zu erkunden. Ob die Texte wirklich korrekt erhalten sind und nicht einwenig zurecht geschrieben wurden, bezweifelt der Eine oder Andere. Sind sie authentisch, kam Hanno der Seefahrer bis hinunter in den Golf von Guinea. Detailreich beschreibt er die Flora und Fauna, die fremde Welt. Fand die Expedition wirklich statt, dann segelte Hanno unweigerlich auch an den Kanaren vorbei, berichtet über sie aber nichts. Aber auch von Kap Juby im heute durch Marokko annektierten Teil der Westsahara ist Fuerteventura in der Abendsonne zu sehen.
Das die Phönizier die Kanaren kannten kann wohl mit Sicherheit angenommen werden. Sie werden sich wohl auch einmal auf ihnen umgesehen haben, nur was hätten sie da tun sollen? Es gab für sie auf den Kanaren nichts zu holen. Phönizier waren Händler und Seefahrer, sie gründeten Handelsstützpunkte. Auf den Kanaren gab es nichts zu handeln für sie. Keine Menschen die etwas zu tauschen hatten. Kein wertvolles Holz, Phönizier handelten mit hochwertigem Zedernholz aus ihrem Stammgebiet, keine Erze aus Galizien wie in Spanien und die kleine Purpurbank vor der Isla de Lobos, so sie diese entdeckten, dürfte sie kaum interessiert haben. Sie hatten Mogador. An den Robben waren sie nicht interessiert, denn sie waren auch keine Jäger. Die Kanaren hatten ihnen nichts zu bieten, warum dort siedeln? Ihre Schätze lagen um das Mittelmeer. Inseln kennen und Inseln zu besiedeln, das sind eben zwei paar Schuhe. Phönizier führten ein reiches kulturelles Leben. Überall wo sie siedelten hinterliessen sie reiche Spuren. Weder wurde an der Atlantikküste nördlich der portugiesischen Stadt Abul noch südlich des marokkanischen Essaouira je eine Spur der Phönizier gefunden. Auch auf den Kanaren keine einzige. Gekannt haben die Phönizier die Kanaren ganz sicher, besucht vielleicht auch, besiedelt garantiert nie.
Der Aufstieg des römischen Reiches führte zwingend zu den punischen Kriegen. Zwei Mächte standen sich im Mittelmeerraum gegenüber, die um die Vorherrschaft kämpften. Am Ende siegten die Römer und das punische Reich verschwand. Eine wesentliche Sache änderte sich ab da im Transportwesen. Setzten die Punier rein auf Schiffe, begannen die Römer ein ausgefeiltes und perfektes Strassennetz anzulegen, die alle Provinzen mit Rom verbanden. Pässe über die Alpen und Pyrenäen, die Via Augusta führte entlang des nördlichen Mittelmeeres vorbei an Barcelona bis nach Cadíz und gegenüber auf der Südseite des Mittelmeeres verlief eine ebensolche Strasse vorbei am zerstörten Karthago bis nach Tanger an die Meerenge von Gibraltar. Auch die am Ende der punischen Kriege errichtete Provinz Africa mit der neuen Hauptstadt Utica, da Karthago dem Erdboden gleich gemacht wurde, war von Rom aus auf ausgebauten Strassen zu erreichen. Ein Ochsenkarren konnte mit normierter Spurweite in der Blüte des römischen Reichs theoretisch durchgehend von Köln über den Brenner die Stadt Tanger in der Provinz Africa erreichen, ohne ein einziges mal das Mittelmeer überqueren zu müssen oder eine Römerstrasse zu verlassen. Das alles auf Strassen, die wie heute aufwändig mit Kiesbett gebaut wurden.
Doch in der Provinz Africa, die aus Tunesien und Teilen von Syrien und Algerien bestand, lief es nicht so rund. Die Numidier waren aufsässig, gewohnt selber zu herrschen und hatten keine Lust den Römern kräftig Steuern abzuliefern. So zettelten sie einen Aufstand an, an dem der numidische König Juba I. massgeblich beteiligt war. Die ersten Erfolge waren vielversprechend, den römischen Besatzungstruppen konnten empfindliche Niederlagen zugefügt werden. Hätte Juba I. gewusst, welche Militärmacht in Rom bereit stand, hätte er das Unterfangen wohl unterlassen. Gaius Julius Caesar (* 100 v.Chr., Rom – † 44 v.Chr., Rom) marschierte an, vernichtet das numidische Heer problemlos in der Schlacht von Thapsus 46 v.Chr. Juba I. floh in seine Hauptstadt, doch die Stadttore blieben für ihn verschlossen. Die Bewohner hatten keine Lust, dass ihre Stadt wie Karthago von den Römern dem Erdboden gleich gemacht würde. So liess sich Juba I. von einem seiner Generäle der mit ihm geflohen war durch das Schwert ins Jenseits befördern, dieser wiederum liess sich von einem Sklaven den Kopf abschlagen. In Gefangenschaft wollte beide nicht. Das waren raue Sitten.
Der kluge strategisch denkende Cäsar nahm den vierjährigen Sohn des Königs der den Namen Juba II. trug (* ca. 50 v.Chr, Marokko bzw. Algerien – † 23 n.Chr., ebenda) mit nach Rom und liess in dort zu einem gebildeten und kultivierten Mann ausbilden. Mit römischen Bürgerrechten versehen kehrte er in seine Heimat zurück, wo er von 25 v.Chr. bis zu seinem Tod 23 n.Chr. als König herrschte. Ein kluger Zug, sozialisiert als Römer mit Bürgerrechten Rom treu ergeben, von den Einheimischen als rechtmässiger Nachfolger von Juba I. akzeptiert. Der guten Ausbildung in Rom und dem Entdeckerdrang des jungen Königs ist die Besiedelung von Fuerteventura zu verdanken. Das die kanarischen Inseln dann auch in schriftlichen Quellen auftauchen und zwar als Expeditionsbericht und nicht griechischen Sagen, ist der Tatsache geschuldet, dass Juba II. schreiben konnte und sich auch schriftstellerisch betätigte. Seine original Schriften sind nicht erhalten, jedoch muss Plinius der Ältere (* 23 o. 24 n.Chr., Como – † 25.8.79 n.Chr., Stabiae, Golf von Neapel) der im Todesjahr von Juba II. geboren wurde, diese oder Abschriften besessen haben. Plinius zitiert Juba II. bzgl. der kanarischen Inseln in seinem umfangreichen Werk "Naturalis historia" mehrmals. Plinius selber besuchte die Kanaren jedoch nie und so gibt er in der "Naturalis historia" das wieder, was er bei Juba II. gelesen hatte.
Juba II. herrschte von 25 v.Chr. bis 23 n.Chr. über einen Teil der Provinz Africa eingesetzt von den Römern. Er dürfte ein umtriebiger Herrscher gewesen sein, denn er brach zu Expeditionen auf. Wann genau ist nicht bekannt, aber es muss wohl +/- 20 v.Chr. gewesen sein, als er vom Kap Juby in der Westsahara, das seinen Namen trägt, nach Fuerteventura übersetzte. Kap Juby nur 98 Km vom Leuchtturm Punta de la Entallada auf Fuerteventura entfernt. An klaren Tagen, wenn die Sonne untergeht, zeichnet sich am Horizont die Insel Fuerteventura ab. Das Kap trägt den Namen "Juby" und nicht "Juba", da es dem Französischen angepasst wurde. Am Kap liegt die Stadt Tarfaya, dort wo Franzosen ein Flugfeld für die französischen Postflieger angelegt hatte. Interessanter Weise war Antoine de Saint-Exupéry 1927 und 1928 Chef des Flugplatzes.
Juba II. dürfte bei seiner Expedition die Purpurschnecken Bänke auf der Isla de Lobos entdeckt haben, denn erst vor kurzem wurde am Paso de la Orchilla auf Lobos per Zufall ein archäologischer Fund gemacht. Ein Tourist räkelte sich im Sand und lag plötzlich in einigen römischen Scherben. Die Ausgrabungen förderten unmittelbar unter dem Sand römische Gebäude zu Tage und tausende Purpurschnecken Schalen. Die C14 Untersuchung ergab, dass die Funde genau in jene Zeit des Juba II. passen. Die Römer produzierten also gesichert Purpur auf Lobos und die Robben werden sie wohl auch gejagt haben. Auch archäologische Funde auf den Nachbar Inseln lassen sich auf jene Zeitspanne zurück datieren. Älteres wurde bis heute nicht gefunden. Nichts von Phöniziern oder anderen Volksgruppen. Wird keine bahnbrechende neue Entdeckung gemacht und davon ist nicht auszugehen, dann waren die ersten Siedler der Kanaren Berber und der Urvater der Besiedelung Juba II.
Die ersten berbischen Siedler dürften wohl alle nicht ganz freiwillig zum Arbeitsdienst auf die Kanaren gekommen sein. Es wird davon ausgegangen, dass es hauptsächlich aufmüpfige Berber waren, die keine Steuern zahlen wollten oder Unruhen anzettelten. Das gängige Mittel im römischen Reich war die Deportation in andere Provinzen zum Arbeitsdienst. Denn an "Kopf ab" hatten Römer kein Interesse in Zeiten, in denen fast alles mit Muskelkraft erledigt werden musste. Man konnte gar nicht genug Menschen haben. Strassenbau, Legionäre zur Grenzsicherung, Bergbau, Landwirtschaft – der Bedarf an Arbeitskräften im Reich war unerschöpflich. Vollbeschäftigung, auch wenn die Berufswahl nicht so ganz freiwillig erfolgte.
Zeitgleich mit dem Untergang des römischen Reiches verschwinden auch die Kanaren von der Bildfläche. Rom verlor die Provinz Africa, die Siedler auf den Kanaren wurden schlichtweg zurück gelassen und vergessen. Erst als sich der Genueser Lancelotto Malocello (* 1307, Genua (unbestätigt) – † 1384, unbekannt) 1336 in Lissabon zu einer Erkundungsreise aufmachte, werden die Kanaren wieder entdeckt. Als Lancelotto von seiner Entdeckungsreise zurück kehrt, erhebt er sogar Besitzanspruch auf die Insel und erreicht tatsächlich, dass sie in die Weltkarte des Angelino Dulcert, einem mallorquinischen Kartographen, unter seinem Namen eingetragen wird. Gebracht hat es ihm nichts, da sich Portugal und Spanien im Vertrag von Tordesillas 1494 die neue Welt aufteilten und das unterzeichneten, was Papst Alexander VI. in einer päpstlichen Bulle 1493 festgelegt hatte. Lanzarote trägt seinen Namen, aber an Lancelotto Malocello erinnert sich selbst auf Lanzarote kaum noch jemand. Lehensrechte erhielt er auch nie. Einwenig Unsterblichkeit blieb, mehr als den Meisten beschieden ist.
Kein ernst zunehmender Wissenschafter bezweifelt heute noch, dass die Besiedelung der Kanaren unter den Römern durch Berber statt fand. Vergleiche überlieferter Worte der Sprachen der Ureinwohner mit den heute noch von den Berbervölkern Nordafrikas verwendeten Sprachen zeigen deutliche Gemeinsamkeiten. Und auch "Canarias" hat den Ursprung in der Berbersprache. Leitete man "canarias" ursprünglich vom lateinischen "canis", der Hund, ab und setzte daher in das Wappen des kanarischen Archipels zwei Hunde, weiss man heute, das "canarias" mit grösster Sicherheit aus der Berbersprache stammt. "Canarii" bezeichnete sich nämlich ein Berbervolk, das am Fusse des Atlasgebirges lebte und wohl auch zu den vielen Berbern zählte, die freiwillig oder auch nicht auf die Kanaren kamen. Auch genetische Untersuchungen der Knochen unzähliger Guanchen Mumien deuten eindeutig auf die Herkunft aus Nordafrika.
Diese wissenschaftlichen Untersuchungen untermauern, was der aufmerksame Inselbesucher jeden Tag sehen kann. Die Berber waren ein Hirtenvolk, Ziegen, Milchwirtschaft und Landwirtschaft waren ihre Lebensgrundlage. Das erklärt auch, warum die Guanchen des Archipels weder als Fischer aktiv waren noch den Bootsbau beherrschten und so jede Insel für sich isoliert vor sich hin lebte. Mit den Berbern kamen die Ziegen auf die Insel, die in der Sprache der Ureinwohner "jairo" hiessen, und der "badino", der einzigartige Hirtenhund, der heute noch am Archipel sehr beliebt ist. Die Berber brachten auch ihre Technologien auf die Insel, die heute noch angewendet werden. Die Kunst erstklassigen Ziegenkäse herzustellen, um die Überschussmilch haltbar zu machen und die Technik des Trockenlandbaus, der Gavias. Landwirtschaft in wüstenähnlichen Zonen zu betreiben, in denen es nur selten, dafür heftige Regenfälle gibt. Und auch Kulturgüter erinnern an die Ureinwohner, der kanarische Stockkampf, der "jugo de palio", der eine alte numidische Tradition ist und heute noch in Ägypten so wie auf den Kanaren betrieben wird.
Auch sprachlich, neben "canarii", lässt sich die die Abstammung der Guanchen von den Berbern nicht leugnen. Vor allem in Ortsbezeichnungen sind die Verbindungen zur Berbersprache allgegenwärtig. Wer einen Ortsnamen entdeckt der recht eigenartig klingt, weder spanisch von den Kastiliern noch französisch von den Normannen, kann sicher sein, das er berbischen Ursprungs ist wie z.B. der Ort "Gran Tarajal". "Tarajal" eine Tamariske, die um Wüstenoasen z.B. in der Sahara wächst. Ähnliches gilt für die eigen klingenden Orte "Tarajalejo" oder "Tuineje". Schrift hatten die Guanchen keine. Bis in die heutige Zeit ist schreiben in manchen Regionen der Welt ein elitäres Wissen und man kann davon ausgehen, dass die Römer wohl kaum die gebildetsten Numidier auf die Inseln zum Arbeitsdient deportierten. Die Numidier hatten eigentlich eine hoch entwickelte abstrakte Konsonantenschrift samt Alphabet, die in Keilform geschrieben wurde. Einzelne dieser Zeichen wurden als Felsritzungen auf Teneriffa gefunden, jedoch keine ganzen Sätze. Ähnliche Ritzungen wie auf Teneriffa wurden auch um Nil, Niger und der afrikanischen Mittelmeerküste gefunden. Derzeit sind rund 1.200 Fundstellen bekannt.
Teneriffa war zu Zeiten der Eroberung in jeder Hinsicht die entwickeltste Insel der Kanaren. Als die fruchtbarste aller Inseln der Kanaren, konnte sie die Bevölkerung gut ernähren, ohne dass täglich um die Existenz gekämpft werden musste, wie das auf Fuerteventura wohl oft der Fall war. Solche Lebensszenarien bieten den Freiraum zur kulturell höheren Entwicklung. Die gute Versorgungslage liess die Bevölkerung auf Teneriffa auf 30.000 Menschen anwachsen, auf Fuerteventura waren es nur 1.200 laut der Zählung der normannischen Eroberer. Die wenigen Majoreros führten ein karges Leben und so wie es aussah, kam es in Trockenperioden auch zu kriegerischen Auseinandersetzungen um die knappen Ressourcen. Auf Grund der grossen Guanchen Bevölkerung auf Teneriffa dauerte es fast hundert Jahre, bis Spanien die Insel erobern konnte. Blutige Niederlagen in denen ganze spanische Heere vernichtet wurden, trotz überlegener Technologie wie Armbrust und Pferd, mussten die Conquistadores einstecken. Die schlimmste in der Schlacht von Aguere, welche in die spanische Geschichte als "Mantanza de Aguere", das Gemetzel von Aguere, einging. Nur 360 der 1.650 teils berittenen mit Schwertern und Armbrust bewaffneten Soldaten konnte, allesamt verletzt, noch fliehen. Die Guanchen fielen nur mit Steinen und Stöcken bewaffnet über die Spanier her und erschlugen sie. Guanchen fürchteten den Tod nicht, was die spanische Truppe besonders schockierte. Das Leben war für sie nur ein Teil einer Reise die nach dem Tod anderen Ortes weiter ging. Interessante parallelen weisen auch die aufwändige Mumifizierungs-Techniken der Guachen vor allem in Gran Canaria und Teneriffa auf, die jenen in der Sahara und Ägypten ähneln, was wieder den Bogen zu Berbern und Numiden spannt.
Wie in Lateinamerika betrieben Spanier eine äusserst brutale und rücksichtslose Assimilierung der Bevölkerung und so war die Sprache der Altkanarier bereits Anfang des 16. Jhd. völlig verschwunden. Dokumentiert ist nichts, das Interesse bestand darin die Kultur auszulöschen. Die katholische Kirche in diesem Zusammenhang auch sehr aktiv, kümmerte sie sich darum, dass die "heidnischen Bräuche" unterdrückt wurden oder zerstörte Kultstätten der Guanchen und setzte Kirchen darauf. Auch mit ihren Relikten ging man nicht zartfühlend um. So wurden tausende Mumien aus den Grabstätten von Hirten als Brennmaterial verwendet, da sie völlig getrocknet und mit ätherischen Ölen und Fett konserviert wie Zunder brannten. Ebenfalls wurde die Durchmischung der Bevölkerung massiv vorangetrieben. So heirateten die neuen Bewohner des Archipels durchwegs Guanchen Frauen. Nur auf Fuerteventura gelang die Durchmischung nicht besonders gut, denn kaum jemand der Glücksritter wollte auf Fuerteventura bleiben. Die Insel war karg, das Geld mit Zuckerrohr u.ä. winkte auf Teneriffa und Gran Canaria. So kann bei über 60% der einheimischen Frauen auf Fuerteventura noch eine genetische Abstammung von den Majoreros nachgewiesen werden. "Original" Majoreros auch gut an der Statur zu erkennen. Wie die Mumienfunde zeigen, waren Frauen kaum grösser als 1,6 m, Männer kaum 1,7 m, was auch damals als klein galt. Die "Majorero Statur" lebt auf Fuerteventura weiter, gedrungen und bullig, weshalb auch über die "cubos" gewitzelt wird. Eine Statur jedenfalls, die Majoreros beim kanarischen Ringkampf, dem "lucha canaria" zu unangenehmen Gegnern macht.
Füsse im Fels – Polyglyphen am Montaña Sagrada Tindaya.
Die Majoreros auf Fuerteventura waren wohl auf Grund der kargen Lebensbedingungen zusammen mit den Mahos auf Lanzarote die am geringsten entwickelten Ureinwohner der Kanaren. 1.200 Majoreros und 300 Mahos standen ca. 30.000 Guanchen auf Teneriffa gegenüber. Dort wurden auch Elemente der berbischen Keilschrift gefunden.
Auf Fuerteventura wurden keine Schriftzeichen entdeckt, aber eigenartige Peroglyphen, die wie Füsse aussehen. Über 120 alleine am Montaña Tindaya sind es und ob es wirklich Füsse sein sollen ist ungewiss. Auch was sie darstellen könnten und warum sie allesamt auf Nachbarinseln zeigen, wie z.B. hinüber zum Teide (3.718 m) auf Teneriffa, der in der Untergehenden Sonne als Profil am Horizont vom Tindaya aus zu sehen ist, wird ewig ein Rätsel bleiben. Um die "Füsse" zu sehen, muss nicht der Berg Tindaya bestiegen werden. 7 von ihnen sind in der Casa Alta im Ort Tindaya ausgestellt.
Wer sich für die Ureinwohner der Kanaren interessiert, für den führt kein Weg vorbei an Gran Canaria. Das El Museo Canario beherbergt die meisten Relikte der Ureinwohner selbst 300 Mumien. Dazu eine enorme historische Bibliothek. Wissenschaftlich interessierte erhalten Zutritt zum Lesesaal. Und natürlich darf die Cueva pintada in Galdar nicht ausgelassen werden, erhaltene Wohnhöhlen der Altkanarier, eine Ausstellung an Artefakten und Geschichte filmisch nacherzählt im kleinen Kino.