Die traditionelle Küche der Bevölkerung von Fuerteventura ist eine sehr einfache. Mit dem Wenigen, das die Insel hergab, musste die Bevölkerung satt werden. Nicht immer klappte das. Herrschte Dürre, kam es auch zu wahren Katastrophen wie in den 1680iger, als sich die Inselbevölkerung von 4.500 ausgehend halbierte. Wer konnte flüchtete von der Insel, ein guter Teil verhungerte und verdurstete. Die letzten beiden grossen Dürren 1902 und 1907 und auch sie forderten einige hundert Tote.
Um kulinarische Erlebnisse zu sammeln, reist niemand nach Fuerteventura. Es wirkt etwas bizarr, wenn Touristenlokale mit traditionellen Spezialitäten der Insel locken, denn die Küche der Insel hatte die Aufgabe satt zu machen und nicht den Gaumen zu verwöhnen. Anders sieht das wiederum auf den fruchtbaren Nachbarinseln aus, besonders auf Teneriffa. Die unterschiedlichen Klimazonen, der feuchte Lorbeerwald, der die Passatwolken aufstaut und in der Regenzeit Wasserfälle auf der Insel sprudeln lässt, fruchtbare Erde und Vulkangestein, machen viel möglich: Wein, Früchte, Gemüse und vieles mehr gedeihen prächtig. Dazu viele Nutzpflanzen, die aus Lateinamerika den Weg auf das Archipel fanden. Durch den intensiven Beziehungen mit Lateinamerika kam nicht nur die Art Karneval zu feiern nach Santa Cruz de Tenerife, sondern auch die kreolische besonders schmackhafte Küche, feurig scharf und von einer Frische, wie sie in Japan kulinarisch gelebt wird. Wer dem guten Essen zugetan und auf Teneriffa ist, sollte sich in der Gegend um Orotava und Puerto de la Cruz umsehen, denn das ist die Ecke der Feinschmecker. Auf Gran Canaria finden sich Quellen in Vulkangestein, die Weltklasse Mineralwasser liefern, Erdbeeren aus dem Valsequillo, dem Herzen der europäischen Erdbeerproduktion, Bananen, Honigrum, selbst Kaffee wird angebaut. Fuerteventura bedeudete dazumal essen um zu überleben, auf den grünen Kanarischen Inseln hiess es geniessen. Und so sieht dann auch die Küche auf den einzelnen Inseln aus.
Auf Fuerteventura wird auf kleiner Flamme gekocht. Mit den Gaumenfreuden der fruchtbaren Schwesterinseln kann Fuerteventura nicht mithalten, dafür hat es die einzigartigen Sandstrände, ist Surferparadies und eine Oase der Weite und Ruhe. Wer in Morro Jable urlaubt ist in 100 Minuten mit der Fähre in Las Palmas de Gran Canaria. Gleich neben dem Fährhafen liegt der historische Mercado del Puerto. Dort finden sich die feinsten Gaumenfreuden. Es gibt kulinarische Alternativen im Rahmen eines Tagesausflugs.
Die kanarischen Papas arrrugadas con mojo, die runzeligen Kartoffeln mit mojo, also der klassischen kanarischen Sosse, sind bei Touristen überaus beliebt. Sie werden zu Discount Preisen, meist als Kombination mit Bier, angeboten. Der Tourist erhält dann alles mögliche aber keine echten papas arrugadas. In der Regel werden ihm billige britische Kartoffeln vorgesetzt samt grünem und roten mojo. Spätestens dann ist offensichtlich, dass der Gast in einer Touristenfalle gelandet ist. Der Canario isst niemals grünen mojo zu papas arrugadas, die wird zu Fisch u.ä. gereicht. Und auch wenn die Kartoffeln so schön schrumpelig daher kommen, können sie normale britische sein, denn schrumpelig wird jede Kartoffel so richtig gekocht. Eine Portion echte papas arrugadas haben ihren Preis. Sie sind auch keine Sättingungsbeilage sondern eine Delikatesse. Sie werden aus papas antiguas zubereitet, kleine Kartoffeln, welche die Conquistadoren aus Lateinamerika mitbrachten und in feuchten Höhenlagen wachsen. Also hervorragend auf Inseln wie La Gomera, Teneriffa oder Gran Canaria, keinesfalls aber auf Fuerteventura. Wer auf Grünmärkte wie in Costa Antigua, Puerto del Rosario oder La Oliva geht, wird sie gleich erkennen. Sie sind leicht violett und haben unzählige Augen und kommen von den Nachbarinseln. Die kleinen lateinamerikanischen papas arrugadas liefern ähnlich wie Reis hochwertige langkettige Kohlehydrate, genau das, was Sportler oder Menschen die körperlich arbeiten brauchen. Die kleinen Knollen haben einen viel höheren Nährwert als britische oder deutsche Kartoffeln und schmecken völlig anders. Wer wissen möchte wie mojo hergestellt wird oder die Kartoffeln so schön schrumpelig gekocht werden, kann dies hier nachlesen.
Gofio steht nicht für eine spezielle Getreidesorte, meist wird von Mais gesprochen, es beschreibt einen Herstellungsprozess von Mehl, der recht aufwändig ist und es länger haltbar macht. Gofiomehl wurde aus Weizen, Mais oder Gerste gewonnen, was eben verfügbar war. Zuerst wurde das Korn mit Sand vermischt und dann bei ständigem Mischen in grossen Tontöpfen geröstet. Nach dem Röstvorgang wurde das Korn gesiebt, um es vom Sand zu trennen. Danach wurde das Korn gekocht, um die Kleie zu entfernen. Das pure Korn wurde nach dem Kochvorgang getrocknet. Danach wurde es unter Zugabe von 10% Kichererbse zu Mehl vermahlen. Durch den Röstprozess wurde das Korn sehr bitter. Die süsse Kichererbse hatte den Sinn, die Schärfe zu brechen. In besonders armen Gegenden gab es das Mehl aber auch häufig ohne Zugabe von Kichererbse. Sie wurde oft nur Mehl beigemischt, das für Festtage gemahlen wurde.
In der klassischen kanarischen Küche wird Gofio für alles verwendet: Für Kuchen und Gebäck, Weissbrot bis hin zur sopa de gofio, Gofio Suppe. So wie eben in Tirol aus Gerstenmehl die Gerstl Suppe gekocht wird. Da die Kanaren das Tor zur neuen Welt waren, verbreitete sich das Gofio bis nach Uruguay, Venezuela oder Argentinien, in dem es auch heute noch gebräuchlich ist. Aus Lateinamerika kam die Tomate, die papas antiguas, der Feigenkaktus und vieles mehr.
Ziegen- und Schafhirten führten das Gofiomehl neben Wasser und einem Stück Käse als einzige Nahrungsquelle mit. Sie hatten einen Ziegenleder Beutel, in den sie Wasser und Gofiomehl gaben und es zu einem Teig verkneteten und dann ungebacken assen. Ziegenleder wird durch Wasser weder spröde noch hart und ist besonders geschmeidig, weich und elastisch. Daher sind hochwertige und klassische Bootsschuhe auch heute noch immer aus Ziegenleder gefertigt.
Berber aus Nordafrika, die ersten Siedler von Fuerteventura, brachten ihr Wissen um die Milchwirtschaft mit Ziegen nach Fuerteventura. Das Know-how um die Käseherstellung ist schon seit Jahrtausenden bekannt, war sie doch die einzige Möglichkeit Milchüberschuss auf Jahre haltbar zu machen. Ein Proteinspender, immer verfügbar und transportabel. Ab 5 tsd. v.Chr. dürfte sich die Technik der Käserei deutlich weiterentwickelt haben und über Mesopotamien, Ägypten auch Nordafrika und die Berber erreicht haben. Da Ziegen das einzige Milchvieh sind, das auf Fuerteventura eigenständig überleben kann, wurde die Käseherstellung auf Fuerteventura zum Rückgrat der Ernährung. Unzählige Käsereien werden auf Fuerteventura betrieben, die von Ziegenfarmern mit rund 80.000 Ziegen mit Frischmilch versorgt werden. Einige Käsereien haben es zur wahren Meisterschaft in der Ziegenkäse Herstellung gebracht, die Grupo Ganaderos de Fuerteventura bei Tuineje sogar zur absoluten Weltspitze. Sie gewann bei den World Cheese Awards 2016 mit „Selectum“ nicht nur die Goldmedaille in der Klasse Ziegenkäse, sonder die Goldmedaille Best of the Best, also Sieger aller Klassen. „Selectum“ und andere in unterschiedlichsten Reifegraden und Geschmacksrichtungen, geräuchert oder nicht, kann man direkt ab Käserei der Grupo Ganaderos de Fuerteventura kaufen. Die beste Art Ziegenkäse auf Fuerteventura zu kaufen!
Ziegenfleisch ist nicht jedermanns Sache. Es hat einen sehr strengen Eigengeschmack, den manch einer als Uringeschmack deutet und es ist so zäh, dass das Kauen, wie eine Harvard Studie herausgefunden hat, mehr Kalorien verbraucht als dem Körper zugeführt werden. Ideales Diät essen also. Trotzdem wird Ziegenfleisch unter der traditionellen Bevölkerung in grossen Mengen gegessen, ist es doch extrem preiswert. Um es geniessbar zu machen wird es erst einige Tage in Ziegenmlich eingelegt. Die Milchsäure beginnt das Fleisch zu zersetzten. Dann wird es in Knoblauch eingelegt, um den Eigengeschmack zu übertünchen. Danach kommt es in die klassischen Öfen, die man neben jedem Haus sieht und die nicht nur zum Brotbacken sondern auch für die Ziegenfleisch Zubereitung unentbehrlich sind. Das Ziegenfleisch wird nach dem Einlegen stundenlang im Ofen geschmort. Die Dauerhitze lässt das viele Bindegewebe sowie Fett im Fleisch, das es zäh und flachsig macht, in Glukose zerfallen. Nach einigen Stunden ist dann das Ziegenfleisch mürbe und kann gegessen werden. Gerne bietet man es Touristen als Delikatesse an, denn es wird wie Filetsteak teuer bepreist. Mit der Qualität von langfasrigem Rindfleisch in Bezug auf Proteine, Vitamine und Mineralstoffe kann es natürlich in keinster Weise mithalten. Der Deckungsbeitrag für den Wirt ist dafür erstklassig.
Auch heute noch ist am Land oder in den kleinen Dörfern der potaje canario, der kanarische Eintopf, allgegenwärtig. Vor allem in kleinen Bars, in denen sich Handwerker und Landwirte zu Mittag treffen, ist er sehr beliebt und steht immer auf der Karte. Sehr schmackhaft, leicht zu kochen, kraftspendend liegt er aber auch bei heissen Tagen nicht schwer im Magen. Sehr preiswert ist er noch dazu, gesund obendrein. In einen echten potaje canario gehören gesalzene Schweinerippchen, papas antiguas (die echten kleinen kanarischen Süsskartoffeln), Kichererbsen, Maiskolben, Zucchini, Kürbis, Karotten, grüne Bohnen, Kohl, Zwiebeln, Knoblauch, Petersilie, Safran, Meersalz, Olivenöl und Fleischbrühe. Sitzen Kinder am Tisch, wird der Kürbis meist weggelassen, denn der kommt bei den Jüngsten so gar nicht gut an. Das Ganze wird in einem grossen Topf schön langsam den ganzen Vormittag gekocht. Wer einen kanarischen Eintopf probieren will, muss sich in Bars wagen, in die sich kaum Touristen verirren. Das sind jene, vor denen zur Mittagszeit die Pickups der Farmer stehen, Handwerkerautos und Männer in Blaumännern sitzen. Auch wer auf Budget reist, kann sich mit dem Eintopf, der direkt in der Küche aus einem grossen Topf geschöpft wird, satt essen.
Für viele Touristen überraschend: Majoreros sind nicht die grössten Fischesser. Damit schlagen sie etwas aus der spanischen Norm, denn beim pro Kopf Konsum isst der Spanier No. 3 in der EU, ist er doch im Schnitt 42,4 Kg Fisch pro Jahr. Vor Spanien liegt nur noch Litauen und die Portugiesen mit sagenhaften 56,8 Kg. Deutsche bringen es nur auf 14,2 Kg pro Kopf und Jahr. Sieht man sich an, was EU Länder aus dem Meer holen, dann hat Spanien nicht nur eine doppelt so grosse Fischfangflotte wie Frankreich, sondern die grösste überhaupt und zieht auch mit Abstand am meisten aus dem Meer. Die ersten Siedler der Kanaren waren aber alle samt weder Fischer noch Seefahrer, hatten noch nicht einmal die einfachsten Boote. Gofio, Ziegenfleisch, Milch und Käse bestimmte die Essgewohnheiten. In La Gomera wurde auch Jagd auf die Riesenechse gemacht. Ganz verrückt waren die Ureinwohner aber nach den Napfschnecken, Muscheln und Krustentieren, die sich bei Ebbe leicht von den Klippen ernten liessen und in grossen Mengen, vor allem an der Westküste, zu finden waren. Heute ist das Sammeln streng verboten, wird hart bestraft, denn im wahrsten Sinne des Wortes wurden die Küsten Fuerteventuras über die Jahrhunderte leer gefressen. Es wurden in so extremen Ausmass Meeresfrüchte gegessen, dass sich neben den Siedlungen meterhohe Abraumhalden aus Muschel- und Schneckenschalen auftürmten. Unternehmer entdeckten sie im 19. Jhd. als perfekte kostenlose Kalkquelle, die Hühnerfutter zugemischt werden konnte. Sie trugen die Halden ab, zermahlten die Schalen zu Futterbeigaben für Hühner und verkauften die Ware auf die iberische Halbinsel. Das machten sie mit jeder einzelnen Halde. Wer aufmerksam um kleine Dörfer spaziert, wird immer wieder auf Reste dieser Halden stossen, grosse kreisförmige Stellen, die mit Muschelschalen übersät sind. Darüber erhoben sich meterhohe Türme aus Muschelschalen.
Auch die spanischen Siedler kamen hauptsächlich als Landwirte und nicht Fischer. Der Fischfang lebte erst richtig auf, als die Konservenindustrie den Weg nach Fuerteventura fand. Ab dann wurde begonnen auch auf Fuerteventura im grossen Stil zu fischen. Majoreros fischten wenn nur in Lagunen. Netze hatten sie keine, so vergifteten sie das Wasser mit der Milch der kanarischen Wolfsmilch. Fische schwammen auf und konnten bequem eingesammelt werden. Hauptsächlich wurde damals wie heute die schmackhafte Goldbrasse gefangen. Sie ist auch heute noch das Traditionsessen, ist sie doch in Küstennähe leicht zu fangen und von grossem Bestand. Sie wird auch beim traditionellen Fischessen bei der Fiesta Virgen del Buen Viaje an der Fischer Mole in El Cotillo auf grossen Blechen gegrillt.
Spanische Siedler brachten die Kaninchen auf die Kanaren. Die ersten wurden auf Lanzarote ausgesetzt, dann auf Fuerteventura. Eine beliebte Art sich Fleisch zu sichern, vermehren sich doch die Rammler in regenreichen Jahren enorm. Dann wird einmal im Jahr zur Jagdsaison der Bestand dezimiert. Bejagt wird das Kaninchen teils noch klassisch mit dem Podenco canario, einem schnellen, schlanken Hund aus Nordafrika, der eigens für die Kaninchenjagd gezüchtet wurde. Das die ersten berbischen Siedler ihn mitbrachten ist wohl eher unwahrscheinlich, da das Kaninchen erst durch die Spanier auf der Insel ausgesetzt wurde. War das Jahr trocken, gibt es wenig Nachwuchs. In der Jagdsaison ist auf allen Karten conejo zu finden und zwar in allen Varianten, gegrillt, als Gulasch, auch mal im Eintopf. Für Touristen gewöhnungsbedürftig liegen während der Jagdsaison Kaninchen im Ganzen in der Fleischtheke oder auch eingeschweisst in Kühlregalen. Generell haben Spanier auch heute noch eine sehr direkte und unverfälschte Beziehung zu ihren Nahrungsmitteln. Vegetarier, Veganer gar haben es in Spanien nicht einfach. Das einzige rein vegane Restaurant auf Fuerteventura findet sich in Corralejo.
Smoothies sind angesagt, auch auf Fuerteventura. Dem Gedanken der Nachhaltigkeit entsprechend, werden sie in der Regel aus kanarischen Früchten produziert. Immer mehr Smoothies werden aus köstlichen Gewächsen Fuerteventuras hergestellt, wie dem Superfood Feigenkaktus. Mehr darüber ist im Artikel "Die Früchte Fuerteventuras trinken." zu lesen.
Antigua – alles um Ziegen und Käse.
Kulinarische Weltklasse ist man auf Fuerteventura bei Ziegenkäse. Der wird seit bald 2.000 Jahren auf der Insel hergestellt und darin hat man es auf der Insel zur wahrer Meisterschaft gebracht, wie es die Grupo Ganaderos de Fuerteventura immer wieder beweist.
Käseliebhaber sollten sich das Museo del Queso Majorero in Antigua nicht entgehen lassen. Dort erfährt der Besucher alles über die verschiedenen Ziegenrassen und auf deren Auswirkungen auf den Geschmack des Käses, die Käsereien der Insel, den Herstellungsprozess, die Güteklassen und vieles mehr. Danach kann direkt nach Tuineje weiter gefahren werden, um ab Käserei einen der besten Käse der Welt zu kaufen.
Wer Reisender und kein Tourist ist, also jemand, der in das echte Leben des Gastlandes eintauchen will, der sollte die Bar La Oliva aufsuchen. Dort geben sich mittags Ziegenbauern, Handwerker, Pensionisten u.a. ein Stelldichein und essen preiswert einen kanarischen Eintopf, trinken ein kleines Bier dazu. Man sollte sich unter sie mischen und es ihnen nachmachen: ¡Un potaje canario y una caña, por favor!