Kaum ein Tourist kann sich vorstellen, wie es vor bald 50 Jahren Jahren auf Fuerteventura aussah. Die erste Meerwasser Aufbereitungsanlage wurde erst 1970 in Betrieb genommen und versorgte nur die Hauptstadt Puerto del Rosario. Das erste E-Werk startete 1975 den ersten Stromgenerator, der nur ein lokales Netz versorgte. Wenn der eine oder andere Trafo schief hängt oder der Wasserdruck mal nicht so perfekt ist, sollte der Tourist das im Kopf haben. Eine Insel im Atlantik, ein Ort, der in den 1970igern noch am Stand eines Entwicklungslandes war.
Genau dort, wo heute das einzige Kraftwerk der Insel steht, in Puerto del Rosario im alten Militärbezirk El Charco, begann die Elektrifizierung von Fuerteventura. Die Standortwahl direkt an der alten Saline von Puerto del Rosario erfolgte aus logistischen Gründe, da über eine kurze Pipeline von der unweit entfernten Handelsmole das benötigte Diesel in die Tanks des Kraftwerkes gepumpt werden konnte. Als der Kraftwerksbau Anfang der 1970iger begann, deckten der Airport El Matorral, der 1969 seinen Betrieb aufnahm und die Hotels in Morro Jable und Corralejo ihren Strombedarf mit lokalen, unabhängigen Dieselgeneratoren. Im Jahr 1975 wurde der erste Dieselgenerator mit lediglich 4,32 MW in das Kraftwerksgebäude in El Charco geliefert und in Betrieb genommen. 1976 folgte ein zweiter und der Insel standen ganze 8,64 MW Leistung zur Verfügung. Zum Vergleich, eine moderne Windkraftanlage hat bis zu 18 MW Nennleistung. Der Tourismus boomte auf Fuerteventura, da war klar, weder kann mit dieser geringen Leistung ein Insel Netz stabil gehalten werden, noch gab es ein solches. Die Lage war brisant, um den Tourismus auf einen Standard zu heben, den sich die Besucher vornehmlich aus Deutschland erwarteten. Bis auf weiteres mussten der Airport und die Hotels in Morro Jable und Corralejo ihre Dieselgeneratoren weiter laufen lassen.
Engagiert ging es weiter und vier Jahre später wurden 1980 eine neue 5,04 MW Gruppe, 1981 eine 7,52 MW Gruppe in Betrieb genommen. Dieselgeneratoren jener Zeit, vom Prinzip umgebaute Schiffsdiesel, brachten keine grosse Leistung. 1987 wurde eine weitere Gruppe installiert, die schon beachtliche 15 MW beisteuern konnte und mit einem Technologiesprung konnte 1990 eine 24 MW Gruppe zugesteuert werden. 1990 standen somit rein theoretisch, wenn alle Aggregate unter Volllast fehlerfrei liefen, 60,2 MW Nennleistung bereit. An der installierten Leistung der Gruppen kann der technologische Fortschritt gesehen werden. 1992 wurde eine Gasturbine mit 25,86 MW zugesteuert und im Jahr 2000 eine solche mit satten 37,5 MW Nennleistung. Der letzte Ausbau erfolgte im Jahr 2003. Die MAN B&W Diesel AG erhielt einen 7 mio Euro Auftrag von ENDESA (Empresa Nacional de Electricidad Sociedad Anónima) und fertigte eine 24 MW Dieselgruppe Typ 18V48/60, die als besonders zuverlässig gilt und daher die Grundlastgruppe bildet sowie mit schwefelarmen Diesel betrieben wird.
Durch unzählige Umbauten, Modernisierungen und neu Gruppierungen der vielen Aggregate, liefern nun 12 Gruppen eine Nennleistung von 185 MW. Auch in das Netz wurde viel investiert. War es noch Anfang der 2010er recht normal, dass bei subtropischen Regenfällen oder im August, wenn die Insel von Touristen gestürmt wurde, immer mal wieder kürzer oder länger der Strom ausfiel, gehört das nun der Vergangenheit an. Das Netz ist in der Regel stabil. In Planung ist auch der Aufbau eines Netzverbundes aller Inseln mittels Unterwasserstromkabel (s. Details unten), um die Last besser verteilen zu können. Vor allem der engagierte Ausbau der Windparks und seit kurzem auch Photovoltaik, macht auf Dauer nur dann Sinn, wenn die Lastverteilung über das gesamte Archipel gesteurt werden kann. Nur so kann die Green Energy optimal ins Netz gespeist werden, um Gas- und Dieselkraftwerke zu entlasten.
Als das Kraftwerk 1975 seinen Betrieb aufnahm konnte sich niemand vorstellen, welche Dimensionen es annehmen würde. Heute treibt der Nordost Passat die Dieselabgase über die Hauptstadt. Kein angenehmes Umfeld für die Bewohner. Das Cabildo de Fuerteventura besänftigt regelmässig, dass es bereits beschlossene Sache sei, das Kraftwerk westlich über Puerto del Rosario zu verlegen. Eine Anfrage des politischen Widersachers bei der Kanarischen Regierung im Oktober 2019, sie ist für die Raumordnung zuständig, ergab, dass ihr keinerlei Unterlagen diesbezüglich übermittelt wurden. Es kann davon ausgegangen werden, dass in El Charco das Kraftwerk noch lange seine Heimat haben wird.
Jeden Tag prasselt soviel grüne Energie auf Fuerteventura ein, dass sie gar nicht verbraucht werden könnte: Sonne, Wellen, Wind, Geothermie. Das Problem altbekannt: Wie speichern und bei Bedarf abrufen. Mit dem Kraftwerk Gorona del Viento wurde auf El Hierro ein interessanter Weg beschritten. Wer sich für das Projekt interessiert, findet unter "Gorona del Viento – El Hierro und die Energie des Nordost Passat." einen lesenswerten Bericht.
Das Kanarische Archipel setzt bei Green Energy primär auf Windenergie. Gelegen im Windgürtel des Nordost Passat eine verlässliche Energiequelle. Mit 2016 waren 49 Windparks auf dem kanarischen Archipel in Betrieb und lieferten eine theoretische Leistung von 436,3 MW. Mittels Entwicklungsplan wurde der Ausbau voran getrieben. Ende 2018 waren bereits 70 Windparks online mit einer gesamt Nennleistung von beachtlichen 803 MW. Das sind 21% des Strombedarfs des kanarischen Archipels. Grosser Bottelneck, dass bis auf Lanzarote und Fuerteventura alle Inseln des Archipels isolierte Netze betreiben. Letztere beiden Inseln sind seit 2022 durch ein rund 15 Km langes 132 kV Seekabel, das durch die Meerenge La Bocaina gelegt wurde, verbunden. Ein Meilenstein wäre die Vernetzung aller Inseln mittels Seekabel. Planungen laufen, die Herausforderung ist gross, aber machbar. 2021 wurde bereits UK von Blyth mit dem 515 kV Unterwasserstromkabel North Sea Link über 724 Km an Kvillda in Norwegen angebunden. Norwegen fungiert als "Batterie" Grossbritaniens und liefert Überschuss aus Green Energy. North Sea Link wurde mit einer Investition von 1,6 Mrd. Euro realsiert, statt der geplanten 2 Mrd.
2018 wurden auf Fuerteventura drei weitere Windparks mit insgesamt 20 zusätzlichen Anlagen in Betrieb genommen und zwar in der Gemeinde La Oliva, Tuineje und Pájara. Alle bestückt mit modernen 3 MW Generatoren also einer Nennleistung von 60 MW, das ist 30% der Nennleistung des Inselkraftwerkes in Puerto del Rosario. Ende 2020 veröffentlichte die Kanarische Regierung einen Antrag zur Errichtung eines Windparks in der Gemeinde Pájara auf dem Höhenzug Los Cuchillos del Guerepe. Das Unternehmen Siemens Gamesa Renewable Energy Wind Farms mit Sitz im spanisichen Vizcaya, plante dort einen Windpark mit 44 MW Nennleistung zu errichten, so dies genehmigt würde. Mit 2023 sind die Windräder bereits online. So schnell geht das in Spanien. Liegen die neuen Einheiten in Tuineje und Pájara so versteckt, dass sie wenige Touristen zu Gesicht bekommen werden, sind nur jene vier Windräder nahe La Capellania, Gemeinde La Oliva, die direkt neben der FV-1 errichtet wurden und optimal den Nordost Passat einfangen, prägend im Landschaftsbild.
Urlauber von Costa Calma nehmen hingegen den grossen und ersten Windpark von Fuerteventura, der schon in den 1990igern errichtet wurde, wahr. Die Dimension fällt nicht wirklich auf: Es sind 50 Anlagen. Die Leistung der alten Generatoren ist sehr gering: Ca. 30 Generatoren haben eine Nennleistung von 0,18 MW und 20 von 0,3 MW. Ein moderner Offshore Generator leistet heute bis zu 18 MW. Aus diesem Grund standen die Windräder immer öfter still. Eine Modernisierung, angestossen durch die hohen Energiepreise, ist seit 2022 in Planung, da der erzeugte Strom vornehmlich für die energieintensive Meerwasserentsalzung eingesetzt wird. Die Windenergie Einheiten von Fuerteventura zur Meerwasserentsalzung wurden, ausgenommen jener in Corralejo (GEA-Fonds), als Gemeinschaftsprojekt des CAAF (Consorcio de Abastecimiento de Aguas a Fuerteventura) und der ENDESA (Empresa Nacional de Electricidad Sociedad Anónima) errichtet und betrieben. CAAF hält 60%, ENDESA 40%. Die gesamte Stromerzeugung aus Windenergie deckt ca. 70% des Strombedarfs, der für die Wasseraufbereitung von Fuerteventura benötigt wird.
Aber auch Solarenergie wurde mittlerweile zu einem Faktor auf der Sonneninsel Fuerteventura. Aktuell sind fünf Solarparks in Betrieb und zwar in der Gemeinde Antigua, Tuineje und Puerto del Rosario. In Antigua wurden in der Ebene Llanos Pelaos die Solarkraftwerke "Llanos Pelaos 1" und "Llanos Pelaos 2" mit insgesamt 9.800 Solarmodulen installiert. In der Gemeinde Puerto del Rosario betreibt Disa Renovables, dem Touristen als Disa Tankstellen bekannt, das Solarkraftwerk "La Rosa" in der Ebene Rosa de la Monja. Es ist mit seinen 20.580 Photovoltaik-Modulen das zweitgrösste Solarkraftwerk von Fuerteventura. Ein weiteres, kleineres Solarkraftwerk betreibt Disa Renovables in der Gemeinde Tuineje mit 5.017 Kollektoren. Es bekam den Namen "La Fuentita" was soviel heisst wie die kleine Quelle. Das grösste Solarkraftwerk von Fuerteventura liegt unweit der Hauptstadt Puerto del Rosario und wird von Naturgy, vormals Gas Natural, betrieben. Gas Natural, ein interessantes Unternehmern, das aus einem Merger im Jahr 1991 hervorging und historische Unternehmen, teils aus dem Jahr 1843, unter ein Dach brachte: Catalana de Gas, Gas Madrid, Repsol Butano. Das Solarkraftwerk heisst einfach so wie die Hauptstadt und ist mit seinen 36.600 Solareinheiten und einer Nennleistung von 10 MW das grösste der Insel.
Eine interessante Energiequelle der Zukunft sind die Wellen des Atlantiks. Vor Gran Canaria ging ein Pilotprojekt eines Wellenkraftwerks mit beachtlichen 200 MW Leistung in Betrieb, das vielversprechende Ergebnisse lieferte. Der Knackpunkt dieser Anlagen sind die abrupten Leistungsspitzen, die für eine direkte Netzeinspeisung ungeeignet sind.
Entwicklungspläne und Leistungsdaten wurden mit 05/2023 erhoben. Der Ausbau von Wind- und Solarkraftwerken steht in der Agenda Spaniens ganz oben. Im Jahr 2022 erreichte die Nettostromerzeugung Spaniens durch Green Energy bereits 50,8% (Wind 23,9% – aktuell nur on shore / Solar 11,9 % / Speicherkraftwerke 9,8% / Laufkraftwerke 3,5% / Biomasse 1,7% – Quelle: Statista). Damit ist Spanien in Sachen Erneuerbarer unangefochten No.1 in Europa. Doch die Ziele sind weiter ambitioniert, auch auf dem kanarischen Archipel und so werden die hier präsentierten Zahlen bald wieder überholt sein. Die hier gezeigten Bilder der Anlagen der ENDESA, GAMESA oder NATURGY, wurden von Sunnyfuerte ebenfalls 05/2023 angefertigt. Auch das ist nur eine Momentaufnahme, die Entwicklung geht weiter.
Flüssiges Gestein – Baumeister der Kanaren.
Enorme Energiemengen schlummern unter unseren Füssen im Erdkern. Genau erforscht ist er nicht, auch nicht in welchem Umfang radioaktive Prozesse im Erdkern ablaufen. Ein Teil des flüssigen Magmas war Baumeister des kanarischen Archipels. Keine Vulkaninseln im engeren Sinne, eine Inselgruppe, die durch die Verschiebung und Hebung der Atlantischen Platte primär entstand, das Magma kam später durch Hot Spots dazu und baute "oben drauf".
Wer sich für die Prozesse interessiert, wie Hot Spots entstanden, durch die auch grosse Teile von Fuerteventura gebaut wurden, findet reiches Anschauungsmaterial. In der Natur zum Beispiel am Calderón Hondo. Theoretisch wird der Entstehungsprozess sehr schön im Museo del Queso Majorero und am Morro de Veloso o del Convento (676 m) visualisiert. Wen das interessiert, der ist an diesen drei Orten genau richtig!
Die Villa Winter und die vielen Phantastereien um sie bewegt viele Touristen: Fiktion und Phantasie. Wahr ist daran nichts. Gustav Winter war sehr umtriebig. Wenig von dem, was er plante, konnte er aber in die Realität umsetzen. Wenigen bekannt, er war Ingenieur, lange in Lateinamerika und leitete als junger Mann am Playa de las Canteras in Las Palmas de Gran Canaria den Bau des ersten Elektrizitätswerkes der Insel, das CICER (Insular Colonial Electricity and Irrigation Company), das 1928 in Betrieb ging. Durch die Neugestaltung des Paseo 2018, wurden nur einige historische Gebäude des CICER erhalten, in denen nun Sportstätten angesiedelt sind. Die Rohre für den grossen Kühlturm liegen immer noch am Strand und sind bei Ebbe zu sehen. Dort, wo eine erstklassige Welle bricht und die Surfer abends nach der Arbeit das Line-up füllen. Am Paseo erinnert eine Tafel an das Kraftwerk und an Gustav Winter.