Bevor ab den 1910ern die neuen Chicagos das Grundwasser, wie im hydrografischen Becken von Agua de Bueyes, an die Oberfläche beförderten und erst 1975 die erste Meerwasser Aufbereituungsanlage in Puerto del Rosario in Betrieb ging, musste das benötigte Wasser mit ausgeklügelten Systemen für Mensch, Vieh und Landwirtschaft gewonnen werden. Die ersten Siedler aus Nordafrika waren Berber, die mit den Römern nach Fuerteventura übersetzten. Sie brachten ihre Methoden zur Wassernutzung in der Landwirtschaft am Atlas Gebirge mit. Erst im 15. Jhd. wurden unter Normannen und Kastilier neue Technologien zur Wassergewinnung, verschiedene Brunnentechnologien, auf Fuerteventura eingeführt.
Mit den Normannen erreichte das System der pozos und aljibes Fuerteventura. Die aljibes von Fuerteventura sind Zisternen mit vorgelagerter Technologie zur Wasserreinigung. Ein System aus Absetzbecken, die das Wasser klären und in eine grosse Zisterne weiter leiten wird angelegt. Liegen aljibe in Wasserläufen, werden auch Zuläufe angelegt, die bei starken Regenfällen oberirdisches Wasser durch plane Flächen, Auffangbecken und Kanäle in die aljibe leiten. Die meisten dieser aljibe funktionieren heute noch. Die Gemeinden zapfen aus ihnen Wasser, um die Grünflächen zu bewässern. Das grosse Zisternen System, das einst den Ort El Cotillo mit Wasser versorgte, neben einigen kleineren im Ort verstreut liegenden, ist restauriert an der C. Bellavista zu besichtigen. Es besteht aus einem System aus sieben aljibes und fängt Grundwasserströme auf. Unweit am Wehrturm Torre de Tostón findet sich ein aljibe aus dem 18. Jhd., dass den Wehrturm mit Wasser versorgte.
Los pozos sind klassische Brunnen, um Grundwasser anzuzapfen und zu fördern. Überall wurden sie gegraben und viele Namen erinnern an sie wie am Playa de los Pozos in Puerto del Rosario oder im Ortsnamen Pozo Negro. Jene die angelegt wurden, um kontinuierlich Wasser für die Landwirtschaft zu fördern, wurden als Schaufelbrunnen konstruiert, die von Maultieren, Ochsen oder Kamelen angetrieben wurden. Was eben gerade verfügbar war. Ein solcher ist z.B. in Betancuria erhalten, der das Grundwasser des Barranco de Convento nutzte, welcher am Morro de Veloso o del Convento (676 m) entspringt. Weiter südlich ist am Hauptplatz von Pájara ein weiterer gut erhaltener bzw. restaurierter Schaufelbrunnen zu besichtigen.
Interessanter Weise wurden nie Wasser kontinuierlich mit Windmühlen gefördert. Das änderte sich erst in den 1910ern, als die in USA neu entwickelten Windräder mit Wasserpumpen, die Chicagos, wie sie auf Fuerteventura genannt werden, importiert wurden. Chicagos, das erste mathematisch exakt berechnete Windrad der Geschichte mit hohem Wirkungsgrad, einfachen Pumpen, unverwüstlich. Und so sind heute noch Windräder in Betrieb, die über 100 Jahre alt sind wie unterhalb des Staudammes Presa de las Peñitas in Buen Paso oder im Ort Agua de Bueyes. Für jedes dieser Windräder kann noch heute jedes Ersatzteil bis hin zur Schraube, mittlerweile online, bestellt werden. Und da glaubt die Generation Z ernsthaft, Nachhaltigkeit sei ihre Erfindung, dabei ist das ein jahrhunderte alter Hut, aus der Not heraus geboren. So primitiv die Windräder auch aussehen, sie waren eine wahre wassertechnische Revolution auf Fuerteventura, konnten sie doch die grossen Grundwasservorräte der Insel mit geringstem Aufwand abgreifen und kontinuierlich liefern. Ausser ab und zu die Lager zu schmieren und gelegentlich die Pumpe durchzuspülen, war nichts zu tun.
Majoreors, die ersten Siedler Fuerteventuras, stammten aus der Region um das Atlasgebirge, Berber, die Ziegenhirten und Landwirte waren. Das erklärt auch, warum Majoreors kaum etwas vom Fischfang verstanden und keine Boote bauen konnten. Mit grösster Sicherheit setzten sie erstmals bei einer Expedition nach Fuerteventura mit König Juba II. nach Fuerteventura über. Juba II. war der Sohn des Numiden Königs Juba I., der vom Römer Julius Cäsar besiegt wurde. Cäsar lies ihn in Rom erziehen und ausbilden und schickte ihn dann zurück, um in der Provinz Africa, zum Teil ehemals Herrschaftsgebiet seines Vaters, für die Römer zu verwalten. Ein kluger Schachzug. Den jungen Juba II. trieb sein Forscherdrang auf die Kanaren. Er dürfte hoch gebildet gewesen sein. Seine Entdeckungen finden sich in den Schriften von Plinius dem Älteren wieder. Bei seiner Expedition entdeckte er wohl auf der Isla de Lobos die Purpurbänke und Mönchsrobben. Beides damals wie heute wertvoll. Römische Ruinen auf der Isla de Lobos belegen das.
Was den Normannen und Kastiliern bei ihrer Ankunft auf Fuerteventura und Lanzarote im 15. Jhd. als feindselig und schwieriges Umfeld erschien, war für die Berber zwar nicht örtlich aber doch vom Ambiente her heimatlich. Sie fanden sich leicht auf Fuerteventura zurecht. Das Klima war für Berber sogar besser als gewohnt. Die umgebenden Wassermassen des Atlantik wirken Temperatur ausgleichend. Die eisigen kontinentalen Steppennächte im Winter gab es nicht, die extreme Sahara Hitze nur bei Calima einige Tage. So mussten Berber das Klima auf Fuerteventura als angenehm empfunden haben. Sie brachten ihre Ziegen und ihren Hirtenhund den Bardino, ihre Getreidesorten, genetisch nachgewiesen und ihr Know-how im Trockenfeldbau mit, dazu ihr simples aber hoch wirkungsvolles Bewässerungssystem. Dabei unterschied sich die Technik der Wassergewinnung in den Bedarf für Vieh und Mensch, der kontinuierlich vorhanden sein musste und jener für die Landwirtschaft.
Vieh und Mensch erhielten ihr Wasser aus maretas und charcas. Maretas ausgehobene grosse Löcher in der Landschaft, in denen sich Regenwasser, Nachfeuchte und Grundwasser sammelt. Unzählige dieser maretas finden sich auf den fruchtbaren Feldern von La Matilla. Unterhalb des Ortes La Matilla liegt ein mächtiger Barranco, der bis zum Playa de Jarugo fliesst. In ihm sind charcas (Tümpel) zu finden. Charcas, kleine Rückhaltebecken in Wasserläufen, aus denen Wasser entnommen wird. Das System der charchas wurde sogar noch extensiv im 20. Jhd. angewendet und zwar im Barranco Río de Cabras, der die Wasserversorgung für die Hauptstadt Puerto de Cabras sicher stellte. Von den las charcas, Tümpeln, sind die los charcos, Pfützen zu unterscheiden. Sie finden sich namensgebend z.B. im Statdteil El Charco von Puetro del Rosario, vormals Puerto de Cabras.
Das System der gavias ist ein ausgeklügeltes im landwirtschaftlichen Trockenbau, in dem hauptsächlich Getreide und Hülsenfrüchte angebaut werden. An Wasserläufen werden Terrassen errichtet, die sogenannten gavias, ähnlich der Reisfelder an den Hängen Asiens. Die Terrassen müssen absolut plan angelegt werden, damit das System funktioniert und haben ein Gefälle von 2-3%. Sie sind von wasserdichten Erdwällen oder Steinmauern den teste (Hoden, warum auch immer) umgeben. Im kanarischen Spanisch bzw. in Lateinamerika werden sie trastón benannt. Die trastónes werden mit genau einem Auslass versehen, der mit einem Wehr versperrbar ist. So kann das auf der obersten Terrasse eingeleitete Wasser kontrolliert weitergeleitet werden. Das erfordert viel Erfahrung. Das Feld wird geflutet, ist genug Wasser versickert wird es auf die nächste Terrasse weiter geleitet, bis es die unterste erreicht. Versickert am ersten Feld zu viel Wasser, fault dort die Ernte, im unteren Feld kommt dann evtl. zu wenig Wasser an, dort vertrocknet sie.
Im Wasserlauf selbst, der die gavias bedient, finden sich drei Installationen: Nateros, tornera und alcogida. Die nateros sind Stufen gleich der alpinen Wildbachverbauung. Sie haben zwei Funktionen. Die erste, um durch die Reduktion der Strömungsgeschwindigkeit des Wassers, die Bodenerrosion zu verringern oder zu stoppen. Des weiteren klären sie das Wasser, da sich der mitgeführte Schlick in ihnen absetzt. Er ist nährstoffreich und kann von Zeit zu Zeit abgetragen und gezielt als Dünger eingesetzt werden. Am Ende der nateros befindet sich der tornera (der Dreher). Eine grosse Staumauer, die das gesamte Wasser stoppt und in das alcogida, das Auffangbecken, umleitete. Dort wird das Wasser bevorratet und nach Bedarf auf die gavias geleitet. Mit diesem System wird auch verhindert, dass das Auffangbecken wie ein Staudamm verlandet.
Das System der gavias ist nach wie vor das Beste, um Landwirtschaft auf Fuerteventura zu betreiben. Die Landwirtschaft im grossen Stil zu industrialisieren, wie das in Zeiten der Militärdiktatur auf Fuerteventura versucht wurde, scheiterte kläglich. Die beiden grossen Staudämme Presa de las Peñitas und Embalse de los Molinos verlandeten in nur wenigen Jahren, hatten sie doch keine vorgeschalteten nateras. Landwirtschaft ist wieder im Aufwind auf Fuerteventura und so werden immer mehr gavias in Stand gesetzt. 2017 wurde das gesamte gavia System oberhalb von El Cardón neu angelegt. Wer über die FV-618 zum herrlichen Aussichtspunkt Degollade de las Brujas hinauf fährt, bekommt einen Lehrbuchausblick auf das alte aber gute System der Berber.
Interessante Strukturen aus der Vogelperspektive.
Welche grosse Arbeit und landschaftsbauliche Leistung in dem System der gavias auf Fuerteventura steckt, eröffnet ein Blick in Google Earth. Am besten es wird zu den Orten La Matilla, Vallebrón oder in das Tal Valle de Tetir navigiert. Die Aufnahmen zeigen die Strukturen der gavias in den Bergflanken. Erstaunlich wie weit hinauf sie angelegt wurden. Jeder Meter landwirtschaftlich wertvolle Fläche wurde genutzt.
Besonders interessant ist es einen Blick auf Google Earth zu werfen, bevor z.B. die Wanderung Tetir - Tefía unternommen wird, oder die Fuente de Tababaire bei Vallebrón besucht wird. Erst die Übersicht aus der Vogelperspektive und dann an den steilen Flanken entlang zu wandern lässt erahnen, wieviel Schweiss beim Anlegen und nachher beim Bewirtschaftung der gavias geflossen sein muss. Ertragreiche Ernte: Jedes Jahr ungewiss!
Das mit den blühenden Landschaften um Tefía, so wie sich das der Diktator General Franco vorgestellt hatte, klappte nicht. Das Embalse de los Molinos ein kapitaler Flop. Heute lohnt ein Besuch, da es Vogelschutzgebiet ist und ein Paradies für Birdwatcher. Und auch nahe Vega de Río Palmas lief es nicht besser. Der Staudamm Presa de las Peñitas verlandete ebenfalls in Kürze. Ganz ohne Staudamm wurden um Vega de Río im wasserreichen Barranco de las Peñitas bereits nach der Conquista Obstgärten bewirtschaftet. Ihn zu durchwandern lohnt.