Der Behördendschungel in Spanien ist berüchtigt und wer die politische und verwaltungstechnische Organisation Spaniens nicht kennt, hat keine Chance ihn zu durchblicken. Wo was zu bekommen ist, ein Buch mit sieben Siegeln aber keine Angst, geht es nicht um Standarddinge wie einen Wohnsitz zu melden, steht auch der Spanier oft vor einem Rätsel. Der Hintergrund ist, dass der Habsburger Karl V (Carlos I) im 16. Jhd. unabhängige Königreiche wie Aragon oder Galizien, zu einem Reich formte. Jedes Königreich kochte seine eigene Suppe, bis die aufgeklärten Bourbonen das Ruder übernahmen und eine moderne, zentrale Verwaltung einführten. Alles unter der harten Verhandlung von Autonomie und Steuerprivilegien, die bis heute in die Katalonien Krise hinein reichen. So ist für vieles die autonome Provinz zuständig, was für einen Deutschen oder Österreicher ganz klar Bundesebene wäre z.B. Vermögens- oder Erbschaftssteuer. Für einen Schweizer ist das schon wieder recht normal. Dieses über Jahrhunderte ausgehandelte System der Zuständigkeiten wirkt bis heute in den Alltag ganz normaler Bürger und bei Behördengängen kann er es mit dem Ayuntamiento, dem Cabildo, dem Gobierno etc. zu tun haben. Will sich der Tourist z.B. eine Angelkarte besorgen, stellt sich ihm die Frage Ayuntamiento, Gemeinde, oder Cabildo, Inselverwaltung? In dem Fall wäre die Gemeinde Zuständig. Was gefischt werden darf, wann und in welchem Umfang legt wiederum das "Ministerio de Agricultura, Pesca y Alimentación" in Madrid fest. Ähnlich ist es übrigens bei den Polizeieinheiten, die auch in einer extrem breiten, unabhängigen Palette aufgestellt sind, wiederum mit unzähligen Unterabteilungen. Wer z.B. mit dem Auto zu schnell unterwegs ist, wird im Ortsgebiet von der Policía Local gestoppt. Ab der Stadtgrenze interessiert das diese nicht mehr und der Autofahrer wird von der Guardia Civil Tráfico gestoppt. Einen Wagen der Guardia Civil oder der Policía Nacional würde das nur im Extremfall interessieren. Übrigens der nicht EU Bürger meldet bei der Policía Nacional seinen Wohnsitz an, der Spaniern und EU Bürger beim Ayuntamiento im Oficia de Empadronamiento.
Abgesehen von der doch auch für Spanier sehr schwer zu durchschauenden Struktur des Behördenwesens, Exekutive und Judikative (im Schnitt wartet ein Spanier 3 Jahre auf einen Gerichtstermin), hat sie in einigen Bereichen einen höheren Digitalisierungsgrad als Deutschland beispielsweise. Wie auch in Österreich gibt es eine digitale "Bürgerkarte" am Mobiltelefon, mit der mittels digitaler Signatur Behördenwege erledigt werden können. In Spanien wird das digitale Zertifikat von der "Fábrica Nacional de Moneda y Timbre" ausgestellt. Nur das Grundbuch und das Katastralregister wird wohl noch ewig dezentral und analog geführt werden. Dieses Chaos zu bereinigen ist eine Jahrhundert Aufgabe, wenn sie denn je bewältigt wird.
Die Behörden auf Fuerteventura haben übrigens nicht den Schrecken wie jene in grossen spanischen Städten. Richtig was los ist auf den Behörden eigentlich nie. Trotzdem kann es sich ziehen, denn Beamter und Kunde plaudern in der Regel auch in aller Gelassenheit über Privates und zwar ungeniert und laut, so dass alle mithören können. Auf der Insel kennt man sich eben. Aufregen sollte das nicht, denn man wird gleich viel Zeit gewidmet bekommen. Die Beamten der Insel sind durch die Bank weg sehr freundlich. Und wenn es einmal nicht so toll auf der Behörde in Spanien läuft, nicht aufregen und schimpfen: Bei uns ist das alles besser! An Kurt Tucholsky denken. "Ein deutsches Schicksal: vor einem Schalter stehen. Ein deutscher Traum: hinter einem Schalter sitzen."
Oficina Integral de Atención al Cuidadano (O.I.A.C.) – viele Wege an einem Ort.
Auch in Spanien versuchen die Ämter bürgerfreundlicher zu werden und dem Bürger Rennereien von Pontius zu Pilatus zu ersparen. Aus diesem Grund werden zunehmend "Oficina Integral de Atención al Cuidadano" eingerichtet, was man mit "zentraler Betreuungsstelle" übersetzen könnte. Sie vereinen Behörden und Verwaltungsakte unter einem Dach, die normalerweise an verschiedensten Orten gefunden würden und nacheinander zu absolvieren wären.
In solchen "Oficina Integral de Atención al Cuidadano" wird z.B. die Chipkarte für den Bus, die Residente, Senioren und Handicaped eine Tarifreduktion von 30 bis 60% ermöglicht, beantragt und ausgegeben. Vier dieser Alleskönner Behörden gibt es auf Fuerteventura und zwar in Corralejo, Puerto del Rosario, Gran Tarajal und Morro Jable. Ihre Lage, Kontaktdaten und Öffnungszeiten werden auf der Website des Cabildos geführt.
So der in Spanien Ansässige komplexere Behördenwege ins Auge fasst, kann er sich in das spanische Behördenwesen einarbeiten oder die elegantere Variante als Lösung nehmen, den "gestor", eine spanische Besonderheit. Der "gestor", der Geschäftsführer, nimmt für Kunden Behördenwege wahr. Er ist Profi, weiss wo und wie, kennt die Beamten und kommt mit einem gebündelten Akt an Geschäftsfällen. Wer Nerven und Zeit sparen will und nicht auf jeden Euro angewiesen ist, sollte sich eine "gestoría" suchen, die es in jedem Dorf gibt. Ein Gestor arbeitet übrigens nach einem Tarifblatt und ist sehr günstig. Die Leistungen starten ab 40,- Euro.